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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Ryan
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umliegenden Büschen hinüber. Die vier Männer um sie herum feuerten mit ihren Gewehren in die Bäume – ein törichter Versuch. Wenn sie die Kreatur trafen, würden sie sie nur noch wütender machen.
    »Nein! Sucht Velkans Waffe! Es müssen die Silberkugeln sein!«, schrie sie.
    Sie hörte ein weiteres Seil reißen, wagte aber nicht, nach oben zu blicken. Der Käfig schwang jetzt wild hin und her. Sobald der Werwolf frei war, würde die Jagd für sie alle vorbei sein.
    Anna widmete ihre ganze Aufmerksamkeit der Suche nach der Waffe. Endlich sah sie den Revolver auf der anderen Seite der Lichtung liegen. Als sie sich in Bewegung setzte, hörte sie das letzte Seil reißen, und der Käfig prallte nur einen Meter von ihr entfernt auf den Boden.
    Einen Augenblick später brach der Werwolf aus seinem zerschmetterten Kerker, und Anna sah die Wut in seinen grausigen gelben Augen flackern.
    Ihre Reaktion erfolgte automatisch und kam von einem Ort, der noch viel tiefer und älter als die Familientradition und ihr Training war.
    Sie rannte um ihr Leben.
    Sie musste sich nicht umschauen, um zu wissen, dass der Werwolf ihr dicht auf den Fersen war. Er würde nicht ruhen, bis sie tot war. Ihre einzige Befriedigung war, dass sie Velkan kostbare Sekunden verschaffte, um sich zu erholen.
    Anna kannte diese Wälder gut – sie würde freies Gelände erreichen, bevor die Kreatur sie einholte. Sie stürzte aus dem Wald auf eine kleine Lichtung.
    Ihr Körper war sich der Gefahr hinter ihr derart bewusst, dass sie erst im letzten Moment stehen blieb, bevor sie über die Klippe gestürzt wäre – den Rand des Transsilvanischen Plateaus, vierhundert Meter hoch. Sie blickte nach unten und konnte durch den Dunst nicht einmal den Boden erkennen.
    Anna wirbelte herum und entschied, zurück zu den Bäumen zu rennen. Es war besser, sich ihrem Feind zu stellen, als in den Abgrund zu stürzen. Das schien ihr eine gute Idee ... bis sie sah, wie Büsche in die Luft geschleudert wurden. Der Werwolf war sehr wütend.
    Anna erstarrte.
    Sie hatte sich ihren Tod schon tausendmal vorgestellt. Jedes Mal war sie tapfer gestorben – im Kampf, statt hilflos dazustehen und auf das Ende zu warten wie jetzt. Dennoch konnte sie sich nicht rühren.
    Dann tauchte der Werwolf auf. Er stürmte aus dem Unterholz und sprang direkt auf sie zu. Jetzt konnte sie nur noch in Würde ihr Ende erwarten.
    Da geschah das Unmögliche.
    Etwas versetzte ihr von der Seite einen groben Stoß. Nein, nicht etwas: jemand. Velkan.
    Anna flog aus der Gefahrenzone und fiel zu Boden. Sie drehte sich und sah, wie ihr Bruder unerschütterlich dastand. Dann hob Velkan seine Waffe und schoss. Die riesige Kreatur heulte vor Schmerz auf, machte einen Satz, biss in Velkans Schulter und schleuderte ihn nach hinten ...
    ... in den Abgrund.
    Annas Verstand konnte nicht akzeptieren, was sie gerade gesehen hatte. Das war unmöglich. Velkan war der Stärkere, der Mutigere von ihnen. Er war derjenige, der eigentlich überleben sollte, derjenige, der das Werk ihrer Familie vollenden würde ... ihres Vaters ... ihrer Mutter ...
    Und sie hatte ihrem Bruder gleich zweimal ihr Leben zu verdanken. Er konnte sie nicht verlassen, nicht mit dieser unbeglichenen Schuld. Anna trat an den Rand der Klippe und erwartete, Velkan an einem Busch oder einer Wurzel hängen zu sehen. Er würde sich hinaufziehen und sie anlächeln – mit diesem selbstzufriedenen Grinsen, das sie so verrückt machen konnte.
    Anna blickte über den Rand und sah nur die zerklüftete Klippenwand und den Nebel darunter.
    »Velkan«, flüsterte sie.
    Hinter ihr ertönte ein Geräusch, und Anna fuhr herum. Da war er: Der Werwolf lag in den Büschen. Anna nahm die Waffe vom Boden, um das Werk ihres Bruders zu vollenden. Aber die Kreatur verkrampfte und verwandelte sich, schrumpfte, streifte ihr Fell wie eine zweite Haut ab und verschwand vor ihren Augen.
    Sekunden später war sie fort und an ihrer Stelle lag ein alter Mann in den letzten Momenten seines Lebens. Anna konnte die Einschusswunde in seiner Brust sehen. Velkan hatte ihn nicht verfehlt.
    »Danke«, flüsterte der alte Mann.
    Du hast meinen Bruder getötet, dachte sie. Nein, nicht du: dieses Ding, in das du dich verwandelt hast.
    Er schenkte ihr ein dünnes Lächeln. »Ich bin frei von Draculas schrecklichem Bann.« Mit dem Rest seiner ersterbenden Energie ergriff er Anna am Knöchel. Bei seinen nächsten Worten klang seine Stimme kräftiger. »Aber jetzt musst du ihn aufhalten ... Er

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