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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Ryan
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staubigen Raum, voller religiöser Statuen und Relikte. Eigentlich wartete hier die Vergangenheit ... aber nicht auf ihn. Er würde hier seinen Auftrag ausführen.
    Er lauschte konzentriert, als er die mächtige Kirchenglocke passierte. Mondlicht fiel durch die Fenster, dennoch waren viele düstere Winkel und Schatten in dem Raum. Dann hörte und spürte er die Gefahr, die in der Nähe lauerte.
    Van Helsing erstarrte, jeder Muskel war gespannt und bereit zum Äußersten. Vor ihm, kopfüber an den Dachsparren hängend, befand sich eine riesige Gestalt, die bösartig knurrte. Die muskulöse Kreatur war mindestens drei Meter groß und sah aus wie ein Mann, dem all seine feineren Eigenschaften abhanden gekommen waren: das Haar verfilzt, die Stirn fliehend, die Haut haarig, teigig und grob, mit ergrauenden Koteletten und einem Mund, aus dem Speichel tropfte.
    Mr Hyde trug, abgesehen von einer zerrissenen Hose, keine Kleidung. Das Monster hätte völlig animalisch gewirkt, wäre nicht die brennende Zigarre zwischen seinen fauligen Zähnen gewesen, deren Geruch den Gestank nach Tod und Verwesung, der von ihm ausging, nur notdürftig übertünchte. Hydes Bösartigkeit war so spürbar wie ein frostiger Wind.
    Van Helsing hatte keine Zweifel, dass er dem Bösen direkt ins Gesicht sah – nicht dem theoretischen Bösen der religiösen Diskussion, sondern dem echten. Einem Bösen, das aus purem Vergnügen tötete und dessen jüngstes Opfer draußen auf dem Straßenpflaster lag. Einem Bösen, das ganz selbstverständlich mordete, so wie ein normaler Mensch ganz selbstverständlich seine Mahlzeit einnahm. Mr Hyde hätte wahrscheinlich beide Tätigkeiten miteinander kombiniert, wäre das möglich gewesen.
    Van Helsing trat einen Schritt zurück. »Abend«, sagte er mit neutraler Stimme.
    Die Kreatur blickte auf ihn hinunter und antwortete mit einem tiefen, kehligen Knurren. »Sie sind groß. Sie werden schwer zu verdauen sein.«
    »Ich bereite Ihnen nur ungern Unannehmlichkeiten.« Van Helsing überraschte der Versuch der Kreatur, humorvoll zu sein. Mr Hyde war einst Dr. Jekyll gewesen, ein angesehener Arzt. Wie viel von dem Doktor hatte in dieser verderbten Gestalt überlebt? Sofort verdrängte er diesen Gedanken; er erschwerte ihm die Arbeit nur, und Ablenkung konnte er sich nicht leisten.
    Hyde sprang herunter und landete behände auf seinen knorrigen Füßen. Van Helsing musterte ihn und ermahnte sich, ihn als Feind nicht zu unterschätzen.
    »Ich habe Sie verfehlt in London«, bemerkte er.
    Hyde schenkte ihm ein hässliches Lächeln. »Nein, das haben Sie nicht.« Damit hob er den mächtigen Arm und präsentierte die drei kauterisierten Einschusslöcher, die Van Helsing seinem Bizeps zugefügt hatte.
    »Und ob Sie mich erwischt haben«, grollte Hyde, während er ihn umkreiste und mehr und mehr einem Raubtier denn einem Menschen glich. Van Helsing tat es ihm gleich.
    Eine Formalität galt es noch zu erledigen, ehe er die Arbeit zu Ende führen würde, die er in London begonnen hatte. »Dr. Jekyll, Sie werden von den Rittern des Heiligen Ordens gesucht ...«
    »Ich bin jetzt Mr Hyde.«
    Er ignorierte die Unterbrechung. Obwohl er bezweifelte, dass in dem Wesen vor ihm noch etwas von dem Doktor übrig war, hatte Jekyll es doch verdient, die Anschuldigungen gegen ihn zu hören. »... wegen des Mordes an zwölf Männern, sechs Frauen ...«
    Hyde lächelte erneut und schloss: »... vier Kindern, drei Ziegen und einem recht hässlichen Geflügelmassaker.« Das Monster maß ihn von Kopf bis Fuß, bevor es erklärte: »Sie sind also der große Van Helsing.« Damit blies es provokativ einen großen Rauchring in seine Richtung. Van Helsing ignorierte das.
    »Sie sind ein verrückter Psychopath.« Wie um diese Bemerkung zu bestätigen, nahm Hyde sich die brennende Zigarre aus dem Mund und drückte die glühende Spitze an seinem Handteller aus. Van Helsing fuhr innerlich zusammen, verzog aber weiterhin keine Miene. Hyde zuckte nicht einmal.
    »Wir haben alle unsere kleinen Probleme«, meinte er.
    Es wurde Zeit. Bald wäre alle Heuchelei vorbei und diese Angelegenheit geregelt. Die Konfrontationen folgten jedes Mal einem bestimmten Muster, und Van Helsing erkannte die Zeichen. Er stählte seinen Körper und Geist, verließ sich ganz auf sein Training und seine Instinkte. »Meine Vorgesetzten würden es vorziehen, wenn ich Sie lebend fange, um Ihre bessere Hälfte zu extrahieren – sofern das möglich ist.«
    »Ach ja?«, knurrte Hyde

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