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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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sprang ihnen in den Weg.

    »Wer seid ihr?«, fragte sie scharf.
    Die beiden starrten sie erschrocken an. Der Ältere trug einen struppigen Bart, er war wohl so alt wie Annius, der zweite hingegen ein Jüngling mit rundem, fast mädchenhaftem Gesicht. Sie kannte die beiden, sie waren Bedienstete eines Centurios. Die Schultern des Jüngeren hoben und senkten sich unter seinem schnellen Atem, er beugte sich vor, legte die Hand schützend um sein blutverkrustetes rechtes Schienbein. Die Wunde musste dringend versorgt werden. Thiudgif drängte das Mitleid zurück, das in ihr aufquoll.
    »Eure Namen will ich hören!«, rief sie.
    Ergeben senkte der Jüngere den Kopf, während der Ältere ihrem Blick standhielt.
    »Privatus bin ich«, erwiderte er zögernd, »und er Thiaminus. Wir sind entkommen. Wie ihr. Vielleicht können wir einander helfen.«
    »Vielleicht«, sagte Thiudgif und stieß einen kurzen, trockenen Pfiff aus; dann deutete sie auf das Bein des Jüngeren. »Zuerst müssen wir seine Wunde versorgen.«

    Die Fäuste in die Seiten gestemmt, starrte Marcus Caelius den Mann an, der vor ihm auf dem Boden kauerte und sich benommen den Kopf hielt, als ob ihm der sonst vom Hals fiele. Ringsum dröhnte der Lärm der sich neu aufstellenden Einheiten. Caelius zitterte vor Wut und hatte Mühe, sich zu beherrschen, obwohl er jedes Recht hatte, diesen Kerl totzuschlagen, den sie ohnmächtig im Wald gefunden hatten, wo die Barbaren einen Großteil der Reiterei in einem überraschenden Angriff zurückgeschlagen hatten. Ohne diesen Flankenschutz waren die dem besiegt geglaubten, flüchtenden Feind in wilder Hatz nachrennenden Legionäre leichte
Beute gewesen für die Barbaren, die plötzlich in Scharen aus den Wäldern gestürmt waren. Und dieser Kerl hatte zu den Legionären gehört, die die Ordnung aufgelöst und so das Unheil begünstigt hatten.
    »Wie bist du da oben hingelangt, Soldat?«, brüllte der Centurio so laut, dass der andere sich krümmte und die blutverschmierten Hände fest um Stirn und Schläfen legte.
    »Sie haben den Tribun«, erwiderte er. »Sie haben Gaius Caelius Caldus verschleppt.«
    Er sah auf, verdrehte die Augen, und sein Kopf kippte nach vorn. Seine rechte Wange war dunkel angelaufen, das Auge zugeschwollen und blutverkrustet. Wieder barg er das Gesicht in den Händen.
    »Woher willst du das wissen?« Grimmig runzelte Caelius die Stirn. Die Truppen waren in Bedrängnis, von den beiden anderen Legionen trafen nur spärliche Nachrichten ein, und die klangen schlecht. Lagerplätze waren nicht auszumachen, Erkundungstrupps verschwanden spurlos, sodass sie keine andere Wahl hatten, als diesen Weg möglichst schnell hinter sich zu bringen. Caelius zog die Nase hoch und spuckte aus. Der Kerl vor ihm hatte Schlimmeres verdient als Kratzer und blaue Flecken.
    »Ich habe es gesehen.« Die Stimme des Soldaten kam gedämpft aus seinen Händen. »Ich konnte es nicht verhindern.«
    »Wenn ich nicht jeden Mann bräuchte, ließe ich dich jetzt hiermit«, wütend schüttelte Caelius den Rebstock, das Abzeichen seiner Züchtigungsgewalt, »totprügeln dafür, dass du deine Einheit im Kampf verlassen hast!«
    Der Soldat hob die Schultern und ließ sie kraftlos wieder fallen, seine Hände sanken auf seine Oberschenkel. »Ich konnte ihm nicht helfen«, stieß er hervor. »Ich konnte ihn
nicht da rausholen, Centurio, ich habe versagt, und dass ich noch lebe, ist der Gipfel der Schande.«
    Caelius holte mit der Faust aus und versetzte dem Soldaten einen Hieb, der dessen unversehrte Wange traf und ihn zu Boden schleuderte.
    »Dein Platz war woanders, Kerl!«, brüllte er. »Und den verlassen zu haben, wirst du noch bereuen!« Er winkte zwei der umstehenden Soldaten zu sich. »Schafft diesen fahnenflüchtigen Abschaum weg! Bringt ihn zu den anderen, die ihre Kameraden im Stich gelassen haben! Wenn wir diese Scheiße hinter uns haben, werden sie für ihre Feigheit bezahlen!«
    Brüsk wandte er sich ab, als er die Reiter bemerkte, die sich näherten, die Standarten erkannte, die Buchstaben, die Senat und Volk der Römer versinnbildlichten. Praetorianer ritten an ihm vorüber, Stabsoffiziere, dann der Statthalter in Begleitung des jungen Quaestors Marcus Fulvius, dessen Gesicht die ungeheure Anspannung nach zwei Kampftagen verriet. Der Statthalter zügelte sein Pferd, als er Caelius sah, und näherte sich dem Centurio, der Haltung annahm.
    »Gibt es Nachricht über den Verbleib von Gaius Caelius Caldus?«, fragte Varus anstelle

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