Varus - Historischer Roman
Eindringen der Klinge in die zum Bersten gespannte Wunde spürte, presste er die Kiefer aufeinander und atmete stoßweise durch die Nase.
»Eine böse Verletzung«, sagte Panthera. »Das scheint eine alte Sache zu sein, die zu stark belastet wurde und deshalb wieder aufgebrochen ist.«
Der Medicus schien mit dem Messer an den Knochen zu schaben, was Annius neben einem brennenden Schmerz Schweißausbrüche verursachte und ihm Tränen in die Augen trieb.
»Du bist keinen Tag zu spät gefunden worden«, fuhr Panthera fort, ohne die peinvolle Behandlung zu unterbrechen. »Anfangs zogen wir es in Erwägung, das Bein abzunehmen.«
Erschrocken hielt Annius die Luft an. Hände legten sich fest auf den Oberschenkel und das Schienbein.
»Keine Bange!«, fuhr der Medicus fort. »Wir haben davon abgesehen, da wir wissen, welche Folgen dieser Eingriff gehabt hätte. Eine vorzeitige Entlassung wegen Untauglichkeit wäre das Geringste gewesen.«
»Wie lange habe ich … geschlafen?«, fragte Annius, um über etwas anderes zu reden, während ihm das Wasser aus den Augenwinkeln über die Schläfen rann und im Kissen versickerte.
»Drei Tage. Wir haben dir Mohnsaft verabreicht. Du wurdest ununterbrochen beobachtet und versorgt, du wurdest sogar gefüttert und gebadet, wie du sicher bemerkt hast.«
Der Medicus ließ endlich von Annius’ wundem Knie ab. Mit einem Klirren fiel das Skalpell in die Schale. Annius stemmte sich auf die Unterarme und sah Panthera schmunzeln. Die Fingerspitzen des Medicus glänzten nass und dunkel von Blut.
»Danke deiner Freigelassenen, Titus Annius«, setzte er nach. »Das Mädchen hat wie eine Löwin gekämpft, damit du gut versorgt wirst.«
»Meiner …?« Am Grinsen des Medicus bemerkte er, dass er vergessen hatte, den Mund zu schließen, und fasste sich. Es war kein Fieberwahn gewesen, sie hatte ihn gefunden! »War sie hier?«
»Wenn du sie hier gesehen hast, dann nur in deinen Träumen, Titus Annius, und das könnte dir niemand verdenken.«
Annius spürte, dass ihm das Blut ins Gesicht stieg, drehte sich auf die Seite und erkannte im selben Augenblick, dass er sich lächerlich machte wie ein halbwüchsiger Junge.
»Wann darf ich aufstehen?«, fragte er, um die peinliche Stille zu beenden.
»Wann immer du dich stark genug fühlst. Allerdings solltest du zuvor etwas zu dir nehmen.« Ein Fingerschnippen schickte den Gehilfen hinaus. »Dein erster Gang sollte dich zu Legat Lucius Nonius Asprenas führen«, sagte Panthera dann leise. »Ich hörte, der Legat habe etwas mit dir zu besprechen.«
Erschrocken fuhr Annius hoch. »Wo sind meine Sachen?«
»Die Lumpen haben wir weggeworfen, deine Waffen wurden in Ordnung gebracht, und alles andere ist in guter Obhut.«
Mit schweißnassen Händen tastete Annius nach dem Rand des Lagers, wollte die Beine herunterlassen, doch der Medicus drückte ihn zurück auf das Bett. »Du wirst zuerst etwas essen, mein Freund, dann kannst du dich auf den Weg machen.«
Ein weiterer Gehilfe trat ein, brachte ein Tablett mit Näpfen, einem Becher und einem Krug. Er reichte Annius einen
der Näpfe, aus dem es würzig nach Schweinefleisch und Aprikosen duftete, bot ihm einen weichen Fladen aus weißem Mehl und Würzwein an, wie Annius am Geruch erkannte. Vorsichtig nippte er daran, schmeckte die Verdünnung und nahm einige tiefe Schlucke. Das Wasser lief ihm schon im Mund zusammen, als er den Löffel nahm und aß.
Lucius Nonius Asprenas, Befehlshaber der verbliebenen Legionen in den Drei Gallien, lehnte sich in seinem gepolsterten Stuhl zurück und legte die Rechte auf den Oberschenkel, sodass die helle Haut sich scharf von der schmucklosen schwarzen Tunica abhob. Vor ihm auf dem Tisch lagen der reich verzierte Dolch und Varus’ Ring neben einem niedrigen Stapel Wachstafeln und einem Bronzegriffel. Annius verharrte auf zwei Krücken gestützt in der Mitte des Raumes und wartete schweigend, als die Tür aufgeschoben wurde und ein älterer Gefreiter eintrat, dessen Gesicht von einer breiten Narbe verunstaltet war. Während er sich zum Legaten begab, um ihm ein Dokument auszuhändigen, bemerkte Annius, dass er ein Bein nachzog, und verbarg sein mitfühlendes Lächeln, indem er den Kopf senkte.
»Du weißt, warum du herbefohlen wurdest?«, fragte der Legat so scharf, dass Annius sich unwillkürlich straffte, ehe er knapp nickte.
»Es haben sich etliche über den Rhenus retten können, die meisten zusammen mit der Cohorte unter Caedicius - aber von denen hatte
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