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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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unter dem Umhang hervorlugte, bedeutete ihr, hinter den Wagen zu treten, während an der Straße ein
hohes vielstimmiges Trillern und Jauchzen ertönte wie bei einem Tanz.
    »Das sind die Huren«, sagte Amra. »Sie entblößen sich und tanzen. Sie glauben, das bringe Glück.« Sie fasste Thiudgif bei den Schultern, drehte sie zu sich um, und der Blick ihrer schwarzbraunen Augen bohrte sich in Thiudgifs. »Geh nicht in ihre Nähe! Sie sind unrein!«
    »Dann wasche ich mich.«
    »Nicht schmutzig - unrein. Das kann man nicht abwaschen. Ich müsste dich wegschicken, um Sura und mich zu schützen. Verstehst du?«
    Thiudgif wusste, dass die Herren sich ihre Mägde nehmen durften, dass die Mägde manchmal weinten, aber meistens stolz waren, weil sie Geschenke bekamen. Und von schwerer Arbeit verschont blieben, wenn sie einen dicken Bauch vor sich her trugen. Kam ihre Zeit, dann pressten sie die Brut im Beisein der Herrin unter Gekreisch aus ihrem Leib. Einmal hatte Thiudgif gesehen, dass ihre Tante ein verkrümmtes Menschlein an einem Bein zur Abfallgrube getragen hatte, ein Menschlein, das kein schrumpeliges Schwänzchen zwischen den Beinen gehabt hatte. Tot sei es gewesen, hatte sie später zu der greinenden Magd gesagt, und dass der Herr es befohlen habe.
    Früh hatte Thiudgif gelernt, dass das von dem Keuchen und Wippen in den schmutzigen Strohlagern kam. Dass die Röcke der Mägde jeden Monat schmutzig wurden und sie mit dem Schwinden der Mondsichel im Fluss badeten und ihr Zeug wuschen. Seit vier Sommern wurde auch sie schmutzig, wenn der Mond schwand. Das konnte man abwaschen. Doch Thiudgif wollte nicht werden wie die Mägde, die vor dem Herrn mit dem Hintern wackelten. Oder wie diese Weiber, die kichernd und kreischend vor den Soldaten tanzten.

    Amra blickte sie eindringlich mit ihren schwarzbraunen Augen an. »Verhülle dich züchtig! Deinem Herrn zu Ehren, damit keine Schande über mich kommt. Und halte dich weit fern von den schlechten Weibern! Lass dich niemals in ihrer Gegenwart sehen oder gar von ihnen berühren! Dann wird dir nichts geschehen.«

V
    Auf dem langgestreckten Hügel vermaßen einige der Fabri den Grundriss des Marschlagers, während die meisten bereits damit beschäftigt waren, die verlandeten Gräben neu auszuheben und mit dem Erdreich den eingefallenen Wall aufzuschütten. Der Ort wurde nicht zum ersten Mal zu diesem Zweck benutzt, sogar den Brunnen würden sie wieder verwenden.
    Caldus war auf seinem Goldfuchs in das weite Flusstal geritten, nachdem Lagerpraefect Eggius ihn entlassen hatte. Aus der Ferne beobachtete er die Vorhut, die Zug um Zug eintraf, sich außerhalb des Lagers ihres Gepäcks entledigte, zu den Werkzeugen griff und sich Mannschaft für Mannschaft daranmachte, den Graben auszuheben und einen Wall aufzuschaufeln, um darauf aus den mitgeführten Schanzpfählen eine Palisade zu errichten. Über ihnen dehnten sich graue Wolken am Himmel, kein Blau war zu sehen und das Licht war matt. Einzelne kräftige Böen zausten Caldus’ Haar, während er das Anrücken der Truppen beobachtete.
    Inzwischen eilten die ersten Männer ins Tal, um die Koppeln für die Pferde abzustecken. Die Verwandlung eines baumlosen, flachen Grashügels in einen wimmelnden Ameisenhaufen vollzog sich so zügig, dass die erste von drei Legionen genau zu dem Zeitpunkt eintraf, als die Fabri mit der
Vorbereitung fertig waren, sodass die Soldaten ihre Zelte errichten konnten.
    Mit kräftigem Schenkeldruck versetzte er den Goldfuchs in einen ausgreifenden Trab. Hinter der ersten Legion dieses Heereszuges befand sich der Statthalter mit seinem Stab. Dorthin solle er sich begeben, hatte der Lagerpraefect ihm aufgetragen, ihn weggeschickt wie einen kleinen Jungen; er hielt ihn wohl nicht einmal als Berichterstatter tauglich. Caldus trieb verärgert sein Pferd an.
    Er erreichte die Züge der Praetorianer, die Standarten von Statthalter und Stab, und erblickte den prächtigen Reisewagen, in dem die Soldkasse mitgeführt wurde. Varus reiste in einer Pferdesänfte, die ihn vor Regen schützte, immerhin war er nicht mehr der Jüngste. Caldus wendete seinen Schimmel neben der Sänfte und grüßte ehrerbietig.
    »Lucius Eggius hat mich beauftragt mitzuteilen, dass bis zu eurem Eintreffen alle Vorbereitungen getroffen sein werden.«
    »Dazu hätte er keinen Tribun schicken müssen.« Lächelnd richtete Varus sich auf dem gepolsterten Sitz auf, drückte das Kreuz durch. »Ich bin froh, wenn ich wieder festen Boden unter den

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