Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
wagst aber nicht, deine eigene Frau anzusehen. Weil nicht du in den Genuss der Umarmung des Chefs, der technologischen Neuheit, des Applauses kommst. Woher soll sie wissen, dass du den kulturellen Sektor betreust und nichts dafür kannst, dass die Supermärkte keine auch noch so kleine Metallklammer in ihren Prospekten haben wollen und du sie deshalb nicht in deine Sparte bekommst? Die aus ebendiesem Grunde nicht implementierbar ist.
Doch die Qual hat noch kein Ende. Dank Magnani gehört Aggradi ab sofort zu den offiziellen Stimmzettellieferanten des Innenministeriums. Aggradi junior wird geradezu übermütig: Dann wollen wir mal hoffen, dass die Regierung bald gestürzt wird. Anerkennender Jubel, diesmal wird auch mit Gabeln gegen Gläser geschlagen. Donna Jole schlägt ihre fleckigen Hände zusammen, als würde Romano Prodis Gesicht dazwischenklemmen.
Aggradi senior muss nur leicht das Augenlid heben, schon wird ihm das Mikrofon gereicht. Seine Firma wolle nicht die eine oder andere Partei preisen, betont er, aber es müsse ein Ende haben mit der ersten Republik, in der die Politiker alle sechs Monate die Posten neu untereinander aufteilten, um sich lebenslange Bezüge zu sichern. Eine Schweinerei sei das. In einer solchen Regierungskrise müsse man das Volk zu Wort kommen lassen.
»Wir stehen für die Souveränität des Volkes und für die Demokratie, vor allem, wenn sie uns Millionen von Wahlzetteln verschafft.«
Erst Gelächter, dann ausgedehnte Ovationen.
Alle haben sich erhoben.
Eigentlich müsstest du jetzt mit den anderen Macarena tanzen, stattdessen schließt du dich auf der Toilette ein und reißt vor Wut Klopapier in Fetzen. Danach spazierst du zwischen den Fackeln im Lustgarten der Villa einher, um frische Luft zu schnappen.
Zurück im Saal brauchst du eine Weile, um Elisa ausfindig zu machen. Sie tanzt in einem Grüppchen mit Edo Magnani nebst Gattin, Aggradi junior und aktueller Freundin, Loretta der Betonmischmaschine und dem Grafiker, der nicht einmal heute Abend auf ein T-Shirt mit Manga-Szenen unter dem dunklen Jackett verzichtet hat.
Elisa schwenkt die Arme über dem Kopf und bewegt ihre Hände wie Schlangen, die einander drohen und beißen. Dann sieht sie in deine Richtung und schaut dich an. Während alle anderen sie anschauen.
Einladend öffnet sie die Arme, um dich ins Gewühl zu locken, aber das ist nichts für dich.
Du gehst zu deinem Platz zurück, schenkst dir noch etwas lauwarmen Sekt ein und fragst dich, wie sie diesen großen Saal wohl geheizt bekommen und wo zwischen all dem Stuck und den Fresken wohl die Thermostate versteckt sind.
Als Magnani sich wieder zu dir gesellt, japst er regelrecht nach Luft. Nein, aus dem Alter sei er raus, stöhnt er. Du füllst sein Glas und prostest ihm zu.
»Auf deinen Erfolg, Meister«, sagst du.
»Auf deine reizende Frau«, antwortet er mit einem Augenzwinkern.
Deine reizende Frau tanzt so ausgelassen, dass die weibliche Begleitung von Aggradi junior daneben eine ziemlich blasse Figur abgibt. Das könnte sich noch als kontraproduktiv erweisen. Du behältst sie im Auge, während du dem Champion deine Referenz erweist.
»Du bist ein Phänomen, Edo«, sagst du. »Deine Bilanz hätte ich auch gern.«
Magnani genehmigt sich einen ordentlichen Schluck, streicht sich über den Schnauzer wie ein zufriedener Kater, betrachtet sein leeres Sektglas, stellt es leicht angesäuert ab und sieht dich an.
»Von wegen Phänomen. Und die Bilanz kannst du vergessen.«
Er packt dich am Handgelenk und beugt sich zu dir. Immer noch hechelnd und keuchend.
»Es geht gar nicht darum, bedrucktes Papier zu verkaufen. Zumal wir es viel zu teuer verkaufen und manchmal sogar schlecht bedruckt.«
Guter Witz. Du lachst und nennst ihn einen komischen Kauz.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, insistiert er. »Das ist das Letzte, was du von mir lernst. Wir könnten die Bücher genauso gut auf Chinesisch drucken, das würde auch niemand merken. Der Kunde muss umschmeichelt werden. Diesen Lokalpolitikern geht es doch nur darum, den eigenen Namen gedruckt zu sehen. Das Vorwort lassen die sich von irgendwem schreiben, ohne es auch nur zu lesen. Und wenn du einem Möbelhändler erzählst, dass du dir sofort einen seiner scheußlichen Furnierholzschränke in die Wohnung stellen würdest, zahlt er dir gleich das Doppelte für den Katalog. Das sind die Dinge, auf die es ankommt. Rede mit den Leuten immer über ihre Arbeit, immer . Dann fühlen sie sich wichtig, aber vor allem
Weitere Kostenlose Bücher