Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
Rote.
Erst ihr Bruder konnte Elisa davon überzeugen, ihr Zimmer zu verlassen, herunterzukommen und eine Kleinigkeit zu essen. Nicht mehr geschminkt, aber immer noch in dem gepunkteten Kleid, das sie so sorgfältig für ihr Fest ausgesucht hatte, betrat Elisa nach einer halben Stunde den Garten.
»Leg wenigstens ein bisschen Make-up auf«, zischte ihre Mutter ihr ins Ohr. Um gleich darauf im Ton eines Zirkusdirektors zu verkünden: »Und jetzt wird gegessen, das Fest findet statt wie geplant. Wir feiern Elisa und ihren treuen Freund Furio. Ein Hoch auf die beiden!«
Marianos Verlobte leistete ihrer zukünftigen Schwiegermutter unverzüglich Gehorsam und deckte für fünf Personen. Schon damals trat sie als das in Erscheinung, was sie war: ein von sinnlosem Eifer getriebener Mensch. Mariano ging hinein, um den Berlucchi aus dem Kühlschrank zu holen. Elisa stellte sich zu dir, dem einzigen Klassenkameraden, der ihre Party nicht boykottiert hatte.
»Und warum bist du noch hier?«, fragte sie.
»Weil ich auf dich gewartet habe.«
6
W eg mit den Schuhen, weg mit dem Mantel. Du überprüfst den Thermostat, legst deinen Schlüssel ab. Dann rufst du Elisa und zeigst ihr den goldenen Karton. Er hat dich einen Umweg von zehn Kilometern gekostet, und als du an der Pasticceria ankamst, war das Rollgitter schon zur Hälfte heruntergelassen, aber dann hast du das Mandelgebäck mit Pinienkernen doch noch für sie bekommen.
Deine Frau hat Stiefel an, sie will noch fort.
Sie lässt dich wissen, dass sie auf dem Weg zu Romina ist, ihrer Freundin mit dem Agriturismo La Volpaia. Bis dorthin sind es rund zwanzig Kilometer, außerdem ist die Straße schlecht, und es beginnt zu regnen.
»Ich habe es ihr aber versprochen. Kroketten und Pommes frites sind schon im Ofen. In zehn Minuten kannst du sie rausholen, nicht vergessen.«
»Ich muss den Timer reparieren«, sagst du, und dann: »Warte mal kurz.«
»Was ist denn?«
»Weißt du, dass du wunderschön bist?«
Du sagst das so überzeugend, dass niemand wagen würde, das Gegenteil zu behaupten. Deine Frau ringt sich ein knappes Lächeln ab, so wie man an der Ampel den Scheibenputzer mit einem Trinkgeld abwimmelt. Sie drapiert ihr schwarzes Haar über den Pelzkragen ihrer Daunenjacke und wickelt sich den türkisblauen Schal um. Ihr Duft hüllt dich ein und mit ihm der Widerwille, sie gehen zu lassen.
Ja, du könntest sie jetzt dazu bringen, nicht zu gehen, aber dann hörst du schon Caterina auf der Treppe rufen. Papsi, Papsi .
Caterina rennt auf dich zu. Über dem T-Shirt trägt sie einen gelben Kittel, um die Stirn eine Art Band und um den Hals eine Kette aus bunten Papierblumen. Elisa reißt ihre Handtasche von der Garderobe.
»Ich hatte dir nicht erlaubt, das Pocahontas-Kostüm zu holen! Jetzt hast du bestimmt wieder den ganzen Kleiderschrank durchwühlt!«
Du lächelst deiner Tochter zu und gehst dazwischen, indem du versprichst, dich darum zu kümmern.
»Ist dir klar, dass sie mit den Hausaufgaben nicht einmal angefangen hat?«
»Aber ich bin schon so müde«, versucht Caterina dich zu erweichen, klammert sich an deine Knie und lässt sich auf deine Füße sinken.
»Nein, ich bin müde. Weil ich es satthabe, dass du nie hörst, wenn ich dir etwas sage!«
Du umarmst deine Tochter, versuchst die Gemüter zu besänftigen.
»Spielt den ganzen Tag vor dem Spiegel verkleiden. Aber wenn sie dann kurz mit mir einkaufen fahren soll, macht sie einen Riesenaufstand. Ab jetzt bleibst du nachmittags im Hort. Da werden sie schon dafür sorgen, dass du deine Hausaufgaben erledigst. Morgen spreche ich mit den Lehrern.«
Obwohl das nur eine leere Drohung ist, bricht Caterina in Tränen aus und kreischt, Mama ist gemein und immer böse auf mich.
»Toll, jetzt wo dein Vater da ist, veranstaltest du so ein Theater.« Elisa dreht sich um, öffnet die Tür und zieht sie hinter sich wieder zu. Mit einem knappen »Ciao«. Und mit übertriebenem Schwung, sodass der Knall wie eine unerwartete Respektlosigkeit widerhallt. Gegenüber dir, gegenüber eurer Tochter, gegenüber der schönen weißen Tür, die noch den Geruch von Lack verströmt. Und gegenüber eurem Haus mit dem Kredit über eine Laufzeit von dreißig Jahren, den ihr für dein Gehalt bekommen habt.
Caterina möchte ihre Lieblingszeichentrickserie sehen und dabei auf dem Sofa essen, und sie bekommt ihren Willen. Einer eurer besten Kunden veröffentlicht tonnenweise Mangas, und als Caterina vor einiger Zeit ein Album der
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