Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
achtzehn, als du deine Haare noch mit Gel und Föhn zementiert hast, bis sie aufrecht standen wie eine Hecke.
Es gab Pfirsich- und Meloneneis, eigenhändig von der Mutter zubereitet, dazu Obstsalat, Sahne und heiße Schokoladensoße oder Heidelbeerkonfitüre. Und fünf Tabletts Mandelgebäck mit Pinienkernen.
Und dann kam Elisa, in einem schwarz-weißen Kleid mit großen Punkten, das ihre Knie weich umspielte, und einem breiten, fuchsroten Gürtel um die Taille. Um den sonnengebräunten Hals trug sie die neue Perlenkette, die ihre Mutter ihr zum Abitur geschenkt hatte.
»Genau rechtzeitig zur ersten Pizza«, sagtest du, als du sie sahst.
Elisa schüttelte ihre Löwenmähne in Form und blickte sich um. Sie schien sich dafür zu schämen, dass sie Lampions aufgehängt und » DAS LEBEN KANN KOMMEN !« auf die Girlanden geschrieben hatte. Sogar der schwitzende Mann mit der gestreiften Schürze schien ihr auf einmal peinlich zu sein.
»Ist noch gar keiner da?«, fragte deine spätere Frau. Den ganzen Nachmittag hatte sie an ihrem Outfit gefeilt, und nun wirkte dieser Auftritt in dem menschenleeren Garten ungefähr so lächerlich und verheerend wie ein perfekter Kopfsprung in ein Schwimmbecken ohne Wasser. »Es ist doch schon fast zehn …«
»Sie kommen bestimmt gleich«, sagte ihre Mutter. Die Dummheit deiner zukünftigen Schwiegermutter ließ jedes ihrer Worte grell aufleuchten, wie man es sonst nur bei ausgesprochen klugen Geistern erlebt.
Ihr Vater nahm die Würstchen vom Grill, zog die Schürze aus und sah dich an.
Dottor Domini erzählte dir, dass Elisa sich noch nicht für ein Studienfach entschieden habe: Psychologie, Literaturwissenschaft oder Pädagogik? Du sagtest, all diese Fächer seien bestimmt interessant, wenn auch sehr unterschiedlich, und warst dir insgeheim sicher, dass Elisa ohnehin nicht zu Ende studieren würde.
Dann kam das Gespräch auf die Klassenkameraden, die Elisas Fest kollektiv fernblieben. Bestimmt waren sie neidisch. Und schlecht erzogen. Ihr wart euch einig, dass man auf solche Freunde gut verzichten könne. Ihr habt Sangria getrunken und von allen Platten etwas gegessen, während Elisa sich weinend in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte und Signora Domini mit dem Lächeln einer Stewardess auf dem Gesicht die Treppe hoch- und runterlief.
»Ich habe eine Idee. Ich rufe jemanden aus der Klasse an, ohne dass Elisa es mitbekommt …«, flüsterte sie uns irgendwann zu.
»Du rufst niemanden an«, knurrte Dottor Domini langsam.
Offensichtlich hatte Elisas Mutter nicht das Geringste kapiert.
Der Versicherungsinspektor hatte durch das Fest nur herausfinden wollen, welche Klassenkameraden vertrauenswürdig genug waren, um Elisa auf ihrem weiteren Ausbildungsweg zu begleiten. Da seine Tochter weder besondere Fähigkeiten noch große Ambitionen besaß, war die Fachrichtung dabei völlig zweitrangig.
Du erzähltest ihm von deinem Plan, dich für Wirtschaft einzuschreiben und dir das Studium durch einen Nebenjob zu finanzieren. Deine Mutter sei Hausfrau, und mit der kleinen Witwenrente, die sie bezog, seit dein Vater eines Dienstagmorgens im Februar von einem Aneurysma hinweggerafft worden war, komme sie gerade so eben über die Runden, ohne putzen gehen zu müssen.
Selbstverständlich erzähltest du Ingegner Domini nichts von dem verlorenen Jahr, als du mit dem Auto deines Vaters von zu Hause abgehauen warst. Von den vielen Nächten, mindestens zehn, die du darin geschlafen hast, bis eine Verkehrsstreife entdeckte, dass du keinen Führerschein hattest und nicht einmal volljährig warst. Davon, wie oft du den Kopf deiner Mutter in deine Hände genommen und ihr gesagt hattest: »Hör auf zu heulen, oder ich bring dich um!« Du musstest das Schuljahr wiederholen, weil dein armer Papa gestorben war, was dir zusätzlich das Etikett der schwierigen Kindheit einbrachte. Dieses harte Los war wohl auch der Grund, warum dir an jenem Abend die unerträgliche Güte zuteil wurde, Gast im Garten des Ferienhauses Domini zu sein.
»Was für ein Job?«, wollte Elisas Vater wissen.
»Ich kann gut mit Menschen umgehen. Ich würde gern etwas Abwechslungsreiches machen. Vertreter zum Beispiel«, sagtest du.
Du erinnerst dich, dass gegen elf Mariano Domini auftauchte, dein zukünftiger Schwager. Die schmalen Schultern, die langen Arme und die hervorspringenden Lippen blieben dir im Gedächtnis haften. Er trug ein grünes T-Shirt von Lacoste, und sein damals schon schütteres Haar hatte einen Stich ins
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