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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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er vor ihr. Seitlich der Stirn bildete sich ein Rinnsal. Blut tropfte auf die weißen Fliesen, langsam und gleichmäßig.
    Jacqueline lauschte, ob jemand auf die Geräusche reagierte. Immerhin stand die Krankenzimmertür nur angelehnt, wie sie erkannte.
    Sie wartete.
    In der Stille hörte sie lediglich das leise Surren von Neonröhren. Niemand kam.
    Der erste Gegner lag besiegt zu ihren Füßen.
    Doch ein Polizist würde sicher schwieriger zu übertölpeln sein. Sie musste ihn zu einer Handlung zwingen, seine Instinkte aktivieren. Er durfte keine Zeit bekommen, um zu überlegen, geschweige denn, um Kollegen zu informieren.
    Das Überraschungsmoment musste auf ihrer Seite bleiben.
    Sie zog den Körper des Krankenpflegers gänzlich in die Nasszelle, damit sie die Badtür schließen konnte. Dann stellte sie sich hinter die Tür zum Flur.
    Wenn sie Pech hatte, ging gerade eine andere Krankenschwester den Gang entlang, oder jemand aus der Ärzteschaft.
    Doch sie wagte nicht, einen Blick durch den Spalt zu werfen. Der Polizist hätte sie entdecken können.
    Durchs gegenüberliegende Fenster blickte sie in die verlockende Freiheit. Sie musste es riskieren.
    »Was machen Sie da?«, sagte sie in Zimmerlautstärke. »Das dürfen Sie nicht!«
    Erfolgte draußen bereits eine Reaktion? Sie hörte nichts.
    »Das werde ich Dr. Rakowski melden.«
    Kratzten die Stuhlbeine über den Boden des Flurs?
    »Nehmen Sie sofort die Hand von meinem Slip!«
    Dann schrie sie laut um Hilfe, nur ganz kurz, presste sich sogleich die eigene Hand auf den Mund, um sich zum Verstummen zu bringen.
    Sie hoffte, dass es sich authentisch anhörte.
    Gleichzeitig durfte sie nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen, um keine weiteren Feinde aufzuschrecken.
    Sie vollführte einen Ausfallschritt und trat energisch mit dem Fuß gegen den Rolltisch, es schepperte.
    Fast wäre sie zu Boden gefallen, als die Tür aufgestoßen wurde und gegen ihren Körper prallte. Doch sie behielt die Kontrolle und sprang sofort auf den Polizisten, der beim Betreten des Raums suchend umherblickte.
    Mit ihren Beinen umschlang sie seine Hüfte, mit ihrem linken Arm seinen Kopf.
    Ehe er sich’s versah, torkelte er umher und kämpfte mit seinem Gleichgewicht.
    Jacqueline strampelte und trat, so gut sie es in ihrer Situation konnte. Gleichzeitig trommelte sie mit dem Duschkopf auf den Kopf des Beamten.
    Jetzt hob er die Hände, packte Jacqueline an den Hüften und versuchte, sie von sich wegzustemmen.
    Jacqueline fühlte den kräftigen Druck. Ein Bulle, der versuchte, die Rodeoreiterin loszuwerden. Es machte sie nur wütender.
    Der Bulle durfte nicht gewinnen. Er durfte einfach nicht gewinnen.
    Inzwischen war es dem Polizisten geglückt, Jacquelines Hüfte eine halbe Armlänge von sich zu pressen.
    Doch ihre Beine waren immer noch hinter seinem Leib verschränkt, ihr linker Arm drückte seinen Hals zu.
    Immer schneller schlug der Duschkopf in ihrer Rechten auf das dichte, lockige Haar des Beamten. Blut spritzte Jacqueline entgegen.
    Endlich erschlafften seine Arme. Er fiel nach vorne zu Boden und begrub Jacqueline unter sich.
    Ihr Rücken krachte schmerzhaft aufs Linoleum. Sie schnappte nach Luft. Mühsam kroch sie unter dem Polizisten hervor, setzte sich in den Schneidersitz und verharrte in dieser Position, bis ihr Atem wieder ruhig und regelmäßig wurde.
    Währenddessen betrachtete sie ihr Opfer.
    Die Wunde am Kopf des Beamten wirkte deutlich größer als die des Krankenpflegers. Durch ihre Umklammerung und den Sturz des Polizisten war seine Dienstjacke nach oben gerutscht. Ein ledernes, zugeknöpftes Holster war dadurch zum Vorschein gekommen. Jacqueline öffnete den Druckknopf, der die Dienstwaffe sicherte, und nahm die Pistole an sich.
    Sie stand auf und sah an sich hinab.
    In dem weißen Krankenhauspyjama konnte sie das Gebäude keinesfalls verlassen.
    Voller Hoffnung öffnete sie den Kleiderschrank: Doch hier lag lediglich ein zweiter Schlafanzug.
    Die Polizeiuniform und die weiße Dienstkleidung des Pflegers schieden ebenfalls aus; viel zu auffällig.
    Doch irgendwo musste sich der Krankenpfleger umgezogen haben.
    Jacqueline spähte vorsichtig durch die Tür: Keine Menschenseele zu sehen.
    Zur Rechten endete der Flur bereits nach wenigen Metern, zur Linken entdeckte sie eine Glaswand. Beim ersten Schritt nach draußen wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie vermutlich seit Tagen ausschließlich in diesem Krankenzimmer gelebt hatte. Und sie konnte sich noch nicht einmal mehr an

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