Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Jacqueline. »Danach ist mir dieses Missgeschick passiert.«
Rakowski atmete tief durch. Er schien sich zu sammeln, um wieder zu seiner alten Gelassenheit zurückzufinden.
»Ihr Sohn«, konstatierte er ruhig.
Jacqueline war dankbar, dass er nicht wieder über die Wunde reden wollte.
»Nennen Sie mir den Namen Ihres Sohnes«, bat er.
»Lukas«, für die Antwort benötigte sie keine Sekunde.
Den darauffolgenden Gesichtsausdruck Rakowskis konnte Jacqueline nicht deuten: Mitleid kämpfte mit Hilflosigkeit und Verzweiflung.
»Wo ist Lukas?«
»Zu Hause.«
»Wo ist ›zu Hause‹?«
»In Kleinmachnow.«
Jacqueline nannte ihm Straße und Hausnummer.
»Kennen Sie einen Jungen namens Robin?«
»Nein«, antwortete sie schnell und schüttelte den Kopf.
»Wie heißt Ihr Ehemann?«
»René.«
»René, und wie weiter?«
»René Adam.«
»Sagt Ihnen der Name Thorsten Hinz etwas?«
»Ich habe ihn noch nie gehört.«
Jacqueline schenkte ihrem Gegenüber ein Lächeln und war enttäuscht, dass sich Rakowski nicht davon anstecken ließ.
Wann wollte er endlich ihre Kopfschmerzen behandeln?
Deswegen hatte sie sich doch ins Krankenhaus einliefern lassen. Ihre Freundin Susanne war doch auch von solch elenden Schmerzen gequält worden. Und Susanne hatte ihr deswegen doch Rakowski empfohlen.
Jacqueline versuchte, sich an einen seiner freundlicheren Gesichtsausdrücke zu erinnern. Es gelang ihr: Das Engelsgesicht überlagerte schließlich die penetrant-fordernde Mimik.
Rakowskis Worte hörte sie nicht mehr.
12. Kapitel
Ein Tag vor der Katharsis
M anthey hätte Rakowski auch einfach anrufen können. Doch er wusste, dass er mehr Druck verursachte, wenn er persönlich vor ihm stand. Das schien ihm den weiten Weg zur Klinik wert.
Rakowskis Büro war leer. Manthey marschierte weiter zum Krankenzimmer.
Im Stationszimmer wertete eine stämmige Krankenschwester an einem Computer Daten aus, während ein Pfleger Hängeordner durchblätterte. Als Manthey an den gläsernen Wänden des Stationszimmers vorbeirauschte, nahm er wahr, wie die beiden aufschreckten und ihre Köpfe hoben.
Solch hastige Bewegungen waren sie auf ihrer Etage wohl nicht gewohnt.
Gegenüber der Tür des Krankenzimmers saß ein uniformierter Beamter. Auf seinem Ärmel prangte der Berliner Bär, das Wappen der Berliner Landespolizei. Obwohl ihm der Polizist nicht direkt unterstellt war, sprang er dienstbeflissen auf und grüßte Manthey ehrfürchtig.
Manthey nickte ihm zu.
»Ist Rakowski bei ihr?«, wollte Manthey wissen.
»Ja, Herr Kommissar.«
Manthey griff nach der Türklinke und haderte mit sich.
Sollte er tatsächlich hineinplatzen?
Welche Auswirkungen konnte das auf ihre Psyche haben?
Wurde sie möglicherweise noch verschlossener?
Andererseits trug er die Verantwortung für den Fall.
Die Krankenschwester nahm ihm die Entscheidung ab.
»Sie können da nicht rein«, sagte sie, während sie vom Stationszimmer zu ihm eilte.
Resolut legte sie Manthey ihre Hand auf den Unterarm und funkelte zuerst ihn, dann den Polizisten böse an.
»Sie dürfen niemanden zu der Patientin lassen«, keifte sie.
»Das ist Herr Manthey, der ermittelnde Kommissar«, verteidigte sich der Uniformierte.
»Herr Dr. Rakowski hat ausdrücklich befohlen, dass – abgesehen vom medizinischen Personal – niemand zur Patientin darf.«
»Ich glaube nicht, dass dies auch für den Herrn Kommissar gilt.«
»Das gilt für jeden.«
Manthey nahm seine Hand von der Klinke.
Gelassen zückte er seine Dienstmarke und hielt sie der Krankenschwester vor das verkniffene Gesicht.
Die Schwester nutzte die Chance und schlüpfte zwischen Manthey und die Zimmertür.
Während sie die Dienstmarke musterte, verschränkte sie ihre Arme.
Jetzt kam auch ihr Kollege dazu und stellte sich daneben, sein Blick eher ratlos.
Die Krankenschwester stand nun breitbeinig vor Manthey. Ihre Statur vermittelte den Eindruck, als wäre sie fetten Torten nicht abgeneigt, und in ihrer weißen Tracht erinnerte sie Manthey an einen Sumoringer.
Die Schwester fixierte ihn: »Selbst wenn Sie der Polizeipräsident persönlich wären!«
Der Kommissar erkannte, dass die Frau vor ihm nicht nachgeben würde.
Obwohl es in seiner Laufbahn schon häufig Situationen gegeben hatte, in denen er sich mit roher Gewalt durchgesetzt hatte, wusste er, dass er sich das in diesem Moment nicht erlauben konnte.
Deeskalieren dürfte effektiver sein, dachte er, und trat einen Schritt zurück.
Im selben Moment öffnete
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