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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Lebensfreude.
    Sie erinnerte sich an das Gesicht.
    Ehe sie ihr Gedächtnis durchforsten konnte, trat er schon vor sie und sprach sie an.
    »Jacqueline Collin?«
    »Äh, ja. Das ist mein Mädchenname.«
    Nein, das konnte nicht wahr sein. War das tatsächlich …?
    »Erkennst du mich denn nicht?«
    Er breitete die Arme aus.
    »Ich bin’s: René! René Adam.«
    Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden und ihr die halbgerauchte Zigarette aus den Fingern glitt.
    »Meine Güte, du wirst ja ganz blass.«
    Auf ihre Beine war kein Verlass mehr. Sie knickten unter ihr weg. Geistesgegenwärtig griff René nach ihr, nahm sie in die Arme und verhinderte damit, dass sie fiel.
    Es knisterte. Wie bei einer chemischen Reaktion sprühten die Funken, als er sie berührte. Genau wie damals.
    Zusammenreißen, dachte sie.
    »Geht es wieder, Jackie?«
    So hatte sie lange niemand mehr genannt.
    »Ja«, flüsterte sie und hoffte, dass er sie trotzdem nicht loslassen würde.
    »Unglaublich, dich wiederzusehen. Nach all der Zeit. Wie lange ist das her? Fünfzehn Jahre?«
    »Mindestens«, sagte Jacqueline und schenkte ihm ein Lächeln.

25. Kapitel
    Viele Jahre vor der Katharsis
     
    W ir müssen miteinander reden, René.«
    Jackie Collin drehte ihren Kopf zur Seite. Auf dem Rücken im Bett ihres Liebsten liegend, hatte sie bis gerade eben schweigend an die Decke gestarrt.
    In Renés Gesichtsausdruck las sie, dass er genau wusste, was die Stunde geschlagen hatte.
    Beide waren sie bekleidet, sie fühlte Renés Handfläche, die unter ihrer Bluse auf ihrem Bauch ruhte. Im Rhythmus ihres Atems bewegte sich Renés Linke sanft auf und ab. Sie genoss die wärmende Nähe.
    René lag auf der Seite, den rechten Arm nach oben gestreckt und angewinkelt, den Kopf auf seine rechte Hand gestützt.
    Sie hielt seinem Blick nicht stand und sah nun auf das ›Ärzte‹-Poster, das hinter ihm – mit Tesafilm befestigt – an der Wand hing. ›Die Beste Band der Welt‹ stand darauf geschrieben und ›Abschiedstour‹. Jackie erinnerte sich daran, wie stolz René gewesen war, als er es an die Wand seines Jugendzimmers geheftet hatte, und wie traurig gleichzeitig darüber, dass sich die Band aufgelöst hatte.
    Das Poster daneben zeigte die gefesselte Gwendoline aus dem gleichnamigen Song.
    Sweet sweet Gwendoline, geisterte die Melodie plötzlich durch Jackies Gedanken.
    Auch sie fühlte sich gefesselt.
    »Es geht alles so schnell, René.«
    René schwieg genauso wie Gwendolines geknebelter Mund.
    »Ich frage mich, ob wir nicht noch zu jung sind für all das.«
    Jackie wünschte sich, René würde reagieren.
    »Zwei Jahre sind wir jetzt schon zusammen.«
    Noch nicht einmal seiner Hand merkte sie eine Veränderung an. Er schien weiter abzuwarten.
    »Wir waren beide damals erst vierzehn Jahre alt.«
    Ihr Mut wuchs an, doch es gelang ihr immer noch nicht, den Blick von Gwendoline zu lösen.
    »Ich war verknallt in dich«, sie machte eine kurze Pause, »und du warst genauso verknallt in mich.«
    »Ich bin es immer noch«, flüsterte René.
    »Ja, aber ich glaube einfach nicht, dass wir uns so früh festlegen sollten.«
    »Was meinst du mit ›festlegen‹?«
    Sie suchte nach Worten.
    »Na ja, festlegen eben.«
    »Kann man Liebe ›festlegen‹?«
    Jackie wollte ihm nicht weh tun.
    »Ich glaube nicht, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben.«
    »Warum?«
    »Weil ich jetzt denke, dass es ein Fehler war, dass du das Gymnasium verlassen hast.«
    »Aber du bist doch selbst drei Monate vor mir runter.«
    »Das ist etwas anderes!«
    »Wieso ist das etwas anderes?«
    »Ich bin eine Frau.«
    »Hä? Was hat das damit zu tun?«
    »Na ja, Frauen haben ja noch andere Möglichkeiten.«
    »Was denn? Kinderkriegen?«
    »Zum Beispiel.«
    »Heiraten?«
    »Auch.«
    »Ich will auch heiraten. Irgendwann. Und Kinder. Irgendwann.«
    »Ich möchte es einmal besser haben als meine Mutter. Meine Mutter möchte das auch.«
    Fühlte sich Renés Hand tatsächlich kälter an als noch vor wenigen Minuten?
    »Mein Vater hat nie etwas Ordentliches gelernt. Er hält die Familie nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser.«
    Jackies Gedanken wanderten zu ihrer Freundin Katja. Katjas Vater arbeitete als Geschäftsführer. In welcher Branche die Firma tätig war, hatte Jackie nicht verstanden. Jedenfalls hatten Katjas Eltern eine große Villa direkt am Grunewald. Jackie hatte sich darüber geärgert, dass Katja ihre neidvollen Blicke aufgefallen waren.
    »Aber ich habe doch gestern meinen Ausbildungsvertrag

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