Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Robin.
»Wie heißt dein Sohn, Jackie?«
Da war er wieder gefallen, ihr damaliger Kosename. Hoffentlich merkte ihr René nicht an, wie gut er ihr tat.
»Robin.«
»Auch schön. Gefällt mir. Erinnert mich an Batman.«
»An Batman?«
»Ich habe doch damals immer die Comics gelesen: Batman und Robin.«
»Ach so. Daran hatte ich gar nicht gedacht.«
Das geräumige Bad, das René ihr nun präsentierte, war ein Traum. Das Dekor erinnerte Jacqueline an ihre Hochzeitsreise nach Tunesien. Die erste und einzige Auslandsreise, die sie jemals mit Thorsten unternommen hatte. Badewanne und Duschkabine – welch ein Luxus.
Ans Bad schloss sich eine Toilette an.
»Was ist hinter den letzten beiden Türen?«
René öffnete sie.
»Wir arbeiten viel von zu Hause aus«, erklärte er zu den beiden Büros.
»Wenn Lukas Geschwisterchen bekommt, ist’s aber vorbei mit der Arbeit von zu Hause aus.«
Zum ersten Mal schien Renés Freude über das Wiedersehen getrübt.
Ein Zucken durchlief sein Gesicht.
»Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt? Das waren doch deine Worte vorhin: ›Kinder sind etwas Großartiges.‹ Und ich denke, das Haus ist groß genug. Man könnte sogar aus dem riesigen Schlafzimmer zwei normal große Räume machen.«
»Paula kann keine Kinder mehr bekommen«, sagte er leise.
»Oh, das tut mir leid.«
René wandte den Blick ab und ging zurück zur Treppe.
Als sie wieder zurück ins Erdgeschoss gelangten, war Jacqueline erneut beeindruckt. Das Staunen über die überdimensionierte Wohnküche überlagerte ihre stille Freude darüber, dass sie mindestens einen Vorzug gegenüber der unbekannten Paula hatte.
Noch nie im Leben, noch nicht einmal in einem Möbelprospekt, hatte sie solch einen Luxus gesehen.
»Ich sehe, es gefällt dir«, meinte René, und Jacqueline ertappte sich dabei, dass ihr Mund offen stand.
»Da hat ja meine ganze Wohnung drin Platz!« Sofort biss sie sich auf die Unterlippe. Sie wollte nicht, dass René zu viel über ihre Lebensverhältnisse erfuhr. Verglichen mit Renés heutigem Standard empfand sie den ihren als armselig.
»Eine Arbeitsfläche als Raumteiler, wie in den Hollywood-Filmen.«
Sie ging hinüber und strich mit den Fingern über die Ceran-Kochfläche des Herds.
Dann drehte sie sich um und erfreute sich an der Farbkomposition der Hängeschränke und Abdeckplatten.
»Bordeaux und weiß. Es sieht sehr harmonisch aus.«
»Das ist auch Paulas Meinung. Die Küche wurde exakt nach ihren Vorstellungen zusammengestellt. Es sind teilweise Sonderanfertigungen.«
»So was kann Paula?«
»Sie hat Architektur studiert. Da war sie natürlich an den ganzen Planungen beteiligt. Eine Freundin von ihr ist Küchendesignerin. Die beiden haben sich hier regelrecht ausgetobt.«
Der anderen Hälfte der Wohnküche, der, in dem die luxuriöse Sitzgarnitur und der Plasmafernseher standen, konnte sie sich nicht mehr angemessen widmen, nachdem ihr Blick auf den Wintergarten gefallen war.
Ihr erster Eindruck gaukelte ihr vor, sie würde vor einem Dschungel stehen.
Das Zimmer ging in einen einzigen Urwald über, grüne Blätter in allen Formen, Farne, Bonsais, Schilf, dazwischen Blüten in allen Farben des Regenbogens.
Obwohl es mucksmäuschenstill war – nicht einmal der Kühlschrank summte –, glaubte Jacqueline beinahe, das Schreien und Brüllen unbekannter Tiere zu hören, das Pfeifen und Singen exotischer Vögel.
Als folge sie dem Flötenspiel des Rattenfängers von Hameln, ließ sie Wohnküche und René hinter sich zurück und schritt in den Wintergarten.
Sie schloss für einen Moment die Augen, um die betörenden Düfte besser genießen zu können.
»So stelle ich mir das Paradies vor.«
»Der Satz hätte auch von Paula stammen können.«
Der Name trübte die Vorstellung vom Garten Eden.
»Das muss ja eine tolle Frau sein.«
»Das ist sie. Meine große Liebe.«
Seine große Liebe, pah.
»Und der Wintergarten ist ihr ganzer Stolz.«
Diese Aussage schmälerte ihren Genuss.
»Vielleicht lernst du sie ja bald kennen. Sie muss jeden Augenblick nach Hause kommen. Du hast doch noch Zeit für eine Tasse Tee? Dann setze ich gleich Wasser auf.«
Diese Wunderfrau wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.
»Klar habe ich Zeit.«
27. Kapitel
Sieben Tage vor der Katharsis;
spätabends
E s schien so, als wüssten die Nachbarn Bescheid und zeigten Respekt vor dem Toten.
Die basslastigen Hip-Hop-Klänge verstummten und überließen einer endlosen Stille das
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