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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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sie die Schultern.
    »Gut. Als Nächstes das Wohnzimmer.«
    Ein dicker, langflusiger Teppich und eine schwere, dunkelbraune Sitzgarnitur, über dem Sofa ein handgeknüpfter Teppich, der eine Landschaft in den Bergen zeigte.
    Der Fernseher lief, war aber auf stumm geschaltet. Jacqueline erkannte eine dieser billig produzierten Gerichtsshows.
    »Hier muss jedes Mal richtig durchgesaugt werden. Wegen meines Asthmas.«
    »Verstehe.«
    »Und über die Treppe geht es dann nach oben.«
    Jacqueline folgte der Frau, die sich mit jeder Stufe abquälte.
    Frau Pozzuoli zeigte zunächst das Schlafzimmer. Auf dem Nachtkästchen stand ein gerahmtes Foto Herrn Pozzuolis, dessen Gewicht dem seiner Ehefrau in nichts nachzustehen schien.
    Eines der beiden Kinderzimmer im ersten Stock war zu einem Abstellraum umfunktioniert worden, das andere wurde als Arbeitszimmer genutzt, in der Mitte ein Bügelbrett.
    »Ich hatte Ihnen gesagt, dass Sie sich auch um die Wäsche kümmern sollten?«
    »Ja, das hatten Sie.«
    »Na ja, dann sind Sie wenigstens einige Zeit hier bei uns. Sonst lohnt sich die weite Anreise aus Neukölln ja nicht für Sie.«
    »Ja, das stimmt.«
    »So, nun haben Sie einen ersten Eindruck erhalten. Meinen Sie, dass Sie hier klarkommen werden, Jacqueline?«
    »Denke schon, ja.«
    »Wunderbar. Und sympathisch sind Sie mir auch. Ich finde, wir sollten es einfach mal miteinander versuchen.«
    »Was meinen Sie mit ›versuchen‹?«
    »Sie kommen in den nächsten Tagen für ein paar Stunden vorbei und putzen alles mal so richtig durch, von oben bis unten. Und wenn ich zufrieden bin, dann bekommen Sie den Job.«
    Während der Worte quälte sie sich wieder die Stufen ins Erdgeschoss hinunter.
    »Mein Mann hat zwar auch noch ein Wörtchen mitzureden, aber wenn ich sage, dass ich Sie haben möchte, dann wird auch er einverstanden sein.«
    »Ähm …«
    »Ja?«
    »Probeputzen? Für ein paar Stunden?«
    »Sie bekommen das selbstverständlich voll bezahlt. Zu dem Stundensatz, den wir in der Annonce stehen hatten.«
    Jacqueline atmete auf.
    Sie hatte schon gedacht …
    »Passt es Ihnen am nächsten Donnerstag, 10 Uhr?«
    »Ja«, sagte Jacqueline sofort, ohne lange zu überlegen.
    »Gut, Jacqueline, dann sehen wir uns am Donnerstag.«
    Frau Pozzuoli öffnete Jacqueline die Haustür und Jacqueline drängte sich an ihr vorbei, was ihr diesmal ohne eine Berührung gelang.
    »Auf Wiedersehen«, hörte sie noch, dann hatte sich die Tür bereits wieder hinter ihr geschlossen.
    Das hat keine Viertelstunde gedauert, dachte sie erleichtert, steckte sich eine Zigarette an und eilte zurück zur Bushaltestelle.
    Eigentlich putzte sie schon die eigene Wohnung ungern, doch den Leuten vom Amt musste sie endlich mal demonstrieren, dass sie sich bemühte. Die drohten ihr schon mit der Kürzung ihrer Bezüge.
    Während sie auf den Bus wartete, dachte sie wehmütig an ihre lang zurückliegende Arbeit im Einzelhandel. Ein Job in einer Modeboutique, das hätte ihr gefallen. Doch als sie beim letzten Einkaufsbummel spontan den Geschäftsführer – so ein junger Schnösel mit gegeltem Haar – auf eine Teilzeitstelle angesprochen hatte, hatte der sie mit solch arrogantem Blick gemustert, dass ihr bereits ohne seine Antwort klar war, wie er die Sache einschätzte: »Wissen Sie, wir sind hier ein außerordentlich junges Team, und ich glaube, jemand mit Ihrer großen Erfahrung kann diese sicher woanders nützlicher einbringen.« Sie hatte sich umgedreht und den Laden ohne Gruß verlassen. Ein weiteres Glied in einer Kette demütigender Absagen.
    Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hielt ein silberfarbener Mercedes an. Eigentlich hatte er abbiegen wollen, sie hatte sein Blinken gesehen. Doch jetzt stand er.
    Wieso glotzte der Fahrer nur so auffällig zu ihr herüber?
    Sie sah an sich hinab, um ihre Kleidung zu kontrollieren, dann wieder zu dem Mann.
    Jetzt blinzelte er.
    Irgendetwas an ihm schien ihr vertraut.
    Er kontrollierte im Rückspiegel, ob er seine Tür öffnen konnte. Anschließend stieg er aus und kam genau auf sie zu: Nadelstreifenanzug, dunkelblaue Krawatte, breiter Oberkörper, selbstbewusster Gang, das Gesicht freundlich und strahlend.
    Wollte der feine Pinkel sie etwa am helllichten Tag auf offener Straße anbaggern?
    Unsympathisch erschien er ihr nicht, auch nicht unattraktiv, trotz kleinem Bauch und lichter werdendem Haar. Ganz im Gegenteil. Die kastanienbraunen Augen zeugten von Wärme und Herzlichkeit, sein Lächeln von Charme und

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