Vater, Mutter, Tod (German Edition)
den Atem.
»Wohnst du auch hier in Kleinmachnow?«, fragte er, und da sie nicht antwortete, ergänzte er: »Wir sind vor einem halben Jahr hierhergezogen. In Berlin gibt es ja nichts Vergleichbares, das auch bezahlbar ist.«
»Ja, das stimmt.«
»Und?«
»Was?«
»Wohnst du auch hier?«
»Nein«, sie zögerte kurz, »ich habe nur jemanden besucht, Freunde.«
»Wen denn? Vielleicht kenne ich sie.«
»Lutter«, war der erste Name, der ihr einfiel. »Sie heißen Lutter.«
René sollte keinesfalls erfahren, dass sie putzen ging.
»Sagt mir nichts. Aber wundert mich auch nicht. Kleinmachnow ist schließlich kein Dorf mehr. – Und? Hat es das Leben gut mit dir gemeint?«
Er betrachtete ihre linke Hand, und als er entdeckte, was er gesucht hatte, hob er seine eigene und streckte Jacqueline die Rückseite entgegen.
»Ich bin auch verheiratet«, sagte er fröhlich.
Nervös nestelte sie an ihrem Ehering herum.
»Kenne ich ihn? Jemand von damals?«
»Nein.«
»Ich habe zu überhaupt niemandem aus unserer Teenagerzeit mehr Kontakt. Zu den Klassentreffen bin ich auch nie gegangen.«
»Ich auch nicht.«
»Weißt du was? Bevor wir hier ewig auf der Straße herumstehen: Ich wohne gleich um die Ecke; wir könnten einen Tee bei mir trinken. Hast du etwas Zeit?«
Wider besseren Wissens bejahte sie.
»Steig ein.« Er machte eine einladende Geste in Richtung seines Autos.
Sie überquerten die Straße, und Jacqueline stieg auf der Beifahrerseite ein.
»Der riecht aber noch neu.«
»Zwei Wochen alt, das ganz neue Modell.«
Staunend betrachtete Jacqueline das Armaturenbrett. Es erinnerte mehr an das Cockpit einer Maschine der Lufthansa.
René startete den Wagen, das Motorengeräusch war kaum zu hören.
Es war für Jacqueline nicht notwendig, sich mit Autos auszukennen – sie würde sich ohnehin keines leisten können. Aber sie wusste auch so, dass der Mercedes eine horrende Summe gekostet haben musste.
»Du arbeitest sicher nicht mehr als Zimmermann.«
René lachte schallend auf.
»Nein. Das ist längst Geschichte.«
Während er sprach, steuerte er das Fahrzeug sicher durch die Straßen.
»Da bin ich unmittelbar nach der Ausbildung raus. Das war nichts für mich.«
Bereits nach zwei Kurven erreichten sie ihr Ziel.
»Ich habe dann doch noch das Abitur gemacht. Zweiter Bildungsweg.«
»Wow.«
In einem Carport vor einem stattlichen Neubau parkte René ein.
»Noch mal wow. Das ist dein Haus?«
»Yep. Meins. Und Paulas. Und natürlich gehört ein Teil der Bank.«
»Paula?«
»Meine Frau.«
Jacqueline leistete keinen Widerstand gegen die Stiche in ihrer Bauchgegend, die die zwei Worte verursacht hatten. Sie gab sich den Schmerzen hin.
Die beiden stiegen aus. Während sie zum Hauseingang gingen, verriegelte René mittels Fernbedienung die Autotüren.
Eine Plakette aus Ton verkündete an der Haustür, dass hier die ›Familie Adam‹ wohnte.
»Familie?«, fragte Jacqueline.
Nachdem René aufgeschlossen und Jacqueline die Tür aufgehalten hatte, antwortete er.
»Paula, Lukas und ich.«
»Dein Sohn?«
»Ja, unser ganzer Stolz. Das beste, was uns bisher im Leben passiert ist. Häuser und Autos sind völlig unwichtig geworden.«
Nur dann, wenn man welche hat, dachte Jacqueline.
»Ich habe auch einen Sohn«, sagte sie, froh, endlich etwas gefunden zu haben, wofür sie Anerkennung bei René ernten konnte.
Es funktionierte. Sein Lächeln wurde noch breiter.
»Das freut mich. Dann weißt du ja, wovon ich rede. Kinder sind etwas Großartiges. Komm, ich zeige dir das Haus.«
Nach dem kurzen Flur, von dem die Gästetoilette abzweigte, erreichten sie das Treppenhaus. Oben öffnete er die erste Tür, sie führte zum Schlafzimmer. Jacqueline war sofort klar, dass die Möbel, die sie sah, nicht von Ikea stammen konnten. Das Bett war so breit, dass man sich aussuchen konnte, in welcher Richtung man sich hinlegte. Sie hätte zu gerne die Matratze getestet, getraute sich aber nicht zu fragen.
Dann das Kinderzimmer.
Anders als Frau Pozzuoli kommentierte er nicht die Räume, die er ihr zeigte.
»Wie heißt noch mal dein Sohn?«, wollte Jacqueline wissen.
»Lukas.«
»Schöner Name. Wie alt ist er?«
»Sieben.«
»So ein Zufall. Genau wie meiner.«
»Das ist ja wirklich ein Zufall.«
»Und die Liebe zu SpongeBob scheinen die beiden zu teilen«, sagte sie, während sie das große Poster über dem Kinderbett begutachtete.
Ansonsten schätzte sie, dass Lukas mindestens vier Mal so viel Spielzeug besaß wie
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