Vater sein dagegen sehr
abweisend. Aber da sie spürte, daß diese Motivierung ihrer Abneigung gegen Hunde nicht genüge, fügte sie hinzu: »Und außerdem haben alle Köter Würmer. Ich jedenfalls fasse keinen Hund an.«
»Man muß sich ab und zu mal die Hände waschen«, gab Lutz zu.
»Der Bello hat keine Würmer!« sagte Traudl fest und vernehmlich. Sie warf Lutz einen hilfesuchenden Blick zu, und er nickte ermutigend hinüber.
»Das kann man nie wissen!« rief Frau Roeckel scharf.
»Das kann man schon wissen«, behauptete die Kleine störrisch. »Würmer, wenn er hätt', tat er rutschen!«
»Was täte er?« fragte Frau Ulrike Roeckel verblüfft.
»Er täte rutschen«, wiederholte Traudl fest, und ihr Bruder Rudi ergänzte: »Auf dem Popo, weil es ihn juckt.«
»Ach was!« murmelte Herr Roeckel interessiert.
»Friedrich«, rief seine Frau empört, »das ist doch wohl kein Thema, wenn man bei Tisch sitzt!«
»Ich weiß nicht, was du gleich immer hast, Ulrike?« maulte Herr Roeckel. »Erstens einmal ist das sozusagen ein naturwissenschaftliches Thema — und zweitens, was das schon ist, das bißchen Tee und Zwieback!«
»Und außerdem haben die Kinder recht«, stellte Lutz fest.
Frau Roeckel bekam eine weiße Nasenspitze, sie bewegte die rechte Hand, als schwänge sie eine Stielglocke: »Mir kommt jedenfalls kein Hund in die Wohnung!« — Ihre Stimme schien Bello auf die Nerven zu gehen, er unterbrach sein Spiel mit Lutz, sträubte die Nackenhaare und knurrte grollend.
»Halt's Maul, Bello, du bist hier nicht gefragt!« sagte Lutz streng. Er wandte sich mit einem plötzlichen Vorstoß, wie aus einem Hinterhalt hervorbrechend, an Frau Roeckel: »Aber das Schicksal vom Bello steht hier ja schließlich auch nicht zur Debatte oder wenigstens nicht im Vordergrund. Ich habe gehört, daß Sie ihn weggeben wollen. — Nun, die Kinder hängen an dem Tier; wenn Bello also fortkommen soll, vielleicht beruhigt es die Traudl und den Rudi, wenn ich ihnen feierlich erkläre, daß ich den Bello zu mir nehme und daß er es bei mir gut haben soll. Ich habe nämlich keine Parkettböden, und ich habe auch keine Angst vor Würmern.« — Seine Stimme wurde betörend liebenswürdig: »Immerhin entnehme ich Ihrer Bemerkung, der Hund käme keinesfalls in Ihre Wohnung, daß Sie sich entschlossen zu haben scheinen, die Kinder Ihres Bruders zu sich zu nehmen.«
Frau Roeckels Gesicht wurde fleckig, sie starrte Lutz an, als habe er ihr soeben einen empörenden Antrag gemacht.
»Davon habe ich kein Wort gesagt!« stammelte sie.
Auch Herr Roeckel wurde plötzlich munter. Er sah Lutz überrascht, aber nicht unfreundlich an: »Ich möchte wissen, wie Sie darauf kommen? Davon hast du doch kein Wort ge sa gt, Ulrike, oder hast du?«
»Aber nein, niemals!«
»Oh, dann scheine ich Sie falsch verstanden zu haben.«
»Ja, das scheinen Sie allerdings!«
»Na schön«, meinte Lutz mit einem bedauernden Schulterheben, »aber da wir die Frage nun schon einmal angeschnitten haben und so schön mittendrin sind, können wir ja gleich dabei bleiben: Was haben Sie sich eigentlich gedacht, was mit den Kindern geschehen soll?«
Eine lange Pause entstand.
»Hm«, meinte Herr Roeckel schließlich, »das ist sozusagen ein Problem! Ein Problem ist das sozusagen.« Er holte ein Lederetui aus der Brusttasche, entnahm ihm eine Brasil und versenkte sich mit Andacht in die Zeremonie, die kohlschwarze Zigarre in Brand zu setzen. Frau Roeckel und die Kinder folgten seinem Tun aufmerksam.
»Also?« fragte Lutz unerbittlich, als die Zigarre rundherum aufglühte und die erste Dampfwolke aus Friedrich Roeckels Lippen fuhr.
»Das ist ein Problem«, wiederholte er tiefsinnig.
»Und ob es überhaupt richtig ist, hier darüber zu sprechen in Gegenwart der Kinder!« wandte Frau Roeckel ein.
»Weshalb eigentlich nicht?« fragte Lutz. »Sie sind schließlich diejenigen, die es am meisten angeht, und Traudl mit ihren elf Jahren ist doch schon ein verständiges Mädl, nicht wahr?«
Der Bub hob wie in der Schule den Zeigefinger und knallte mit dem Daumen dagegen: »Sie kann schon an Wurschtsalat machen, und an Grießpudding kochen kann sie auch!«
»Na also!« sagte Lutz mit der Geste eines Zauberkünstlers, dem ein besonders schwieriger Trick zur Zufriedenheit gelungen war.
Herr Roeckel beleckte das Deckblatt, die Zigarre schien Nebenluft zu haben: »An und für sich müßte der Staat für die Kinder sorgen, wo die Mutter jetzt sozusagen als Kriegerwitwe gestorben ist,
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