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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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halten muß! Ganz allein, und wir haben... «
    Herr Roeckel umspannte den Rest seiner Zigarre mit der Faust wie den Handgriff eines Hammers. Und es war eine behaarte Faust von ansehnlichen Ausmaßen. Und aus seinem Hals kam ein warnendes Knurren, das Frau Roeckel die Fortsetzung verschlug und das den Hund Bello veranlaßte, seinerseits das Fell zu sträuben und die Oberlippe emporzuziehen.
    »... und wir haben die gottverdammten Parkettböden, auf denen du den ganzen lieben Tag auf den Knien herumrutschst! Und die dreimal verfluchten Gardinen, die keinen Rauch vertragen! Und die verdammten Sofakissen, auf die man sich nicht mit seinem Hintern draufsetzen darf, und wir haben...«
    »Friedrich!!« schrie Frau Roeckel auf und preßte beide Hände vor ihren Magen.
    »Ich pfeife dir auf deinen Friedrich«, brüllte Herr Roeckel (er gebrauchte übrigens ein viel schlimmeres Wort), und es war, als würden die Schleusen eines jahrelang auf gespeicherten Grimms mit einem Ruck herausgezogen, »und ich pfeife dir auf deine geborene Luedecke und alle die feinen Leute, die du hättest heiraten können! Und auf deinen Salong, wo man nur zu Weihnachten 'reindarf und auch da nur auf Filzpantoffeln! Und auf deine Parkettböden! Und auf die gottverdammten Sesselschöner, und Tischdeckenschoner, und Türschoner, und Teppichschoner, und Kragenschoner! Das Zimmer wird entschonert! Und die Kinder kommen zu uns!!«
    Der Ausbruch und der an den Zornesausbruch geknüpfte Entschluß waren so überraschend gekommen, daß Lutz ebensoviel Zeit brauchte, um sich aus seiner Verblüffung zu lösen, wie Frau Roeckel aus ihrer Erstarrung. Die Kinder, die solch rauhe Töne im Haus zeitlebens noch nicht gehört hatten, duckten sich völlig verschüchtert zusammen. Der Spitz Bello hatte es sofort vorgezogen, sich unter dem Bett unsichtbar zu machen. Vielleicht war es unklug von ihm, daß er sich gerade in diesem Augenblick verkroch, denn vielleicht hätte Herr Roeckel in seinem großen Zorn auch ihn in die Familiengemeinschaft der Zukunft aufgenommen, aus Trotz und Wut auf die Parkettböden und Zierkissen, Sofaschoner und Teppiche, die man nicht betreten durfte.
    So, dachte Lutz, damit ist die brennende Frage nun eigentlich geklärt und erledigt. — Er hätte es beruhigender gefunden, wenn die Gründe, die Herrn Roeckel veranlaßt hatten, die Waisen in sein Coburger Heim aufzunehmen, mehr von den christlichen Tugenden der Nächstenliebe und Güte bestimmt worden wären. Aber vielleicht fand sich die Liebe, so wie in manchen Ehen, nach der vollzogenen Tatsache im Laufe der Zeit. Er zweifelte nicht daran, wenn er sich vorstellte, wie sich Friedrich Roeckel den Kindern gegenüber verhalten würde. Er war ein verhinderter Vater; die Parkettböden — eigentlich mehr tragisch als komisch. Aber schließlich, wer, zum Teufel, hatte ihm auch geraten, ausgerechnet diese geborene Luedecke zu heiraten! — Peinlicher berührte ihn der Gedanke, wie Frau Ulrike Roeckel sich zu den Kindern stellen würde. War es möglich, daß in ihrem Herzen unter Staublappen und Kehrichtschaufeln, Bohnerfilzen und Besen noch eine kleine wärmende Flamme brannte?
    Traudls gepreßte Stimme schreckte ihn auf.
    »Und wenn wir doch nicht zur Tante Ulrike mögen, sondern lieber zu dir, Onkel Lutz.«
    »Dees wär woos!« rief der Bub. Das mußte man ihr lassen, Einfälle hatte sie schon, seine Schwester Traudl!
    Frau Roeckel hüstelte und warf ihrem Mann unter Tränenschieiern einen bedeutungsvollen Blick zu. Herr Roeckel stutzte, und die Flamme in seiner Hand, mit der er die Brasil neu anbrennen wollte, zitterte an der Zigarre vorbei. Er runzelte die Stirn und blies die Zündholzflamme mit einem ärgerlichen Atemstoß aus.
    »Lieber Gott, Kinder, ich kann's ja verstehen«, fiel Lutz eilig ein, »daß ihr eurer Tante Ulrike nicht zur Last fallen wollt und euch denkt, in meinem ollen Turm kommt es auf ein wenig mehr Schlamperei und Verwahrlosung nicht an; aber ich hause da ganz allein und habe nicht einmal jemand, der für mich kocht oder mir meine Hemden wäscht oder mir die Socken stopft. Ich stehe auf, wenn's mir paßt, und schreibe manchmal bis in den Morgen hinein, und lebe von Kaffee und Suppenwürfeln... « Er malte sein Junggesellenleben bis in die intimsten Details aus.
    Aber anstatt der beabsichtigten abschreckenden Wirkung schienen nicht nur die Kinder, sondern auch Herr Roeckel seinen Schilderungen mit einem Interesse zu folgen, als beschreibe er ihnen paradiesische

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