Vater sein dagegen sehr
verzichtete auf eine Erwiderung.
Der lange Aschenstreifen fiel auf den Boden nieder.
»Es sieht fast so aus, als ob du es bedauerst, sie gehen zu lassen.« Sie drückte die Zigarette im Aschenbecher mit solcher Sorgfalt aus, als befürchte sie den Ausbruch einer Feuersbrunst. Lutz lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ den Hinterköpf auf die Rückenlehne sinken. Er starrte in die Rauchschwaden, die sich im Raum schichteten und unter den schweren dunklen Balken wie dicke Kumuluswolken hingen.
»Ich weiß nicht recht, was ich dir antworten soll, Liebling«, sagte er schließlich ein wenig schleppend; »natürlich gibt es Augenblicke, in denen ich die Bälger dorthin wünsche, wo der Pfeffer wächst. Aber ich muß dir gestehen, diese Augenblicke sind eigentlich selten. Ich glaube tatsächlich, ich werde eine ganze Weile brauchen, um mich wieder an das Alleinsein zu gewöhnen.« — Er hob den Kopf und streichelte mit den Augen Margots Hand. »Natürlich bist du da, mein Herz, ich habe dich!« Er sagte es ein wenig hastig und gleichsam, als müsse er sich dafür entschuldigen, daß er vom »Alleinsein« gesprochen hatte. »Aber schau, Margot, in den Turm kommst du eigentlich doch nur auf Besuch zu mir. Und irgendwie finde ich es angenehm und hübsch, daß mit den Kindern immer etwas Lebendiges um mich herum ist.«
Der Spitz richtete sich unter dem Stuhl auf, streckte die Vorderpfoten, hob das schwarze Hinterteil, gähnte laut und reckte sich. Lutz griff ihm in die Rückenwolle: »O Bello, entschuldige, daß ich dich vergaß, du gehörst natürlich auch dazu.
— Immer etwas Lebendiges, Warmes — weiß der Teufel — aber ich entdecke plötzlich Familiengefühle in mir.«
Margot sah ihn stumm, aber sehr aufmerksam an — und Lutz errötete unter ihrem Blick. Wahrhaftig, er errötete.
»Ich glaube, wenn es nach dir ginge, du würdest die Kinder am liebsten bei dir behalten, wie?«
Lutz zögerte mit der Antwort; es war etwas im Tonfall der Frage, was ihn zur Vorsicht mahnte.
»Weshalb diese akademischen Gespräche?« sagte er leichthin. »Du weißt selbst, daß es weder beabsichtigt ist noch daß es auf die Dauer möglich wäre. Wenn sich auch ein paar Silberstreifen am Horizont zeigen, so langt das, was ich verdiene vorläufig gerade für mich selber. Und eines Tages brauchten die Kinder ja etwas mehr als das Essen allein. Das erste Paar Schuhsohlen würfe den ganzen sorgsam ausgeklügelten Etat glatt über den Haufen.«
»Mit einem Wort«, unterbrach sie ihn, und ihre Augen glitzerten unter den gesenkten Wimpern, »im Prinzip wärest du nicht dagegen, nicht wahr?« Sie blickte ihn plötzlich voll an, und es war etwas in ihrem Blick, als stelle sie eine sehr schwierige medizinische Diagnose.
»Sei nicht albern, Margot«, sagte er ein wenig ärgerlich und fühlte sich wie ein Korken in einem sehr engen Flaschenhals, durch den sich ein zäher stählerner Korkenzieher unermüdlich in Spiralwindungen hindurchbohrte, »ob ich will oder nicht will, das spielt doch praktisch überhaupt keine Rolle! Und wenn ich dir gesagt habe, daß ich die Kinder vermissen werde, dann heißt das nicht, daß ich ohne sie nicht mehr leben kann! Wenn du einen Kanarienvogel hast, den du eines Morgens tot in seinem Bauer findest, dann vermißt du ihn doch auch ein paar Tage oder Wochen lang. — Ich habe mich eben an die Anwesenheit der Kinder im Turm gewöhnt, das ist alles — und ich bin ehrlich genug, dir zu gestehen, daß ich das Gefühl habe, durch ihre Gegenwart Schwung und Auftrieb bekommen zu haben!«
Er sprang auf, bewegte die Schultern, als müsse er den ins Stocken geratenen Blutkreislauf wieder in Bewegung setzen, machte ein paar Schritte durchs Zimmer und kehrte zu seinem Platz zurück.
»Versuch doch, mich zu verstehen. Ich habe keine Angst mehr vor dem Auf stehen. Der Ofen ist angeheizt. Das Teewasser kocht. Im Rasiernapf dampft das Wasser. Ich setze mich pünktlich wie ein Beamter an den Schreibtisch. — Weißt du, die Gefahr in meinem Beruf ist doch die, daß man schlawinert, daß man sich gehenläßt, daß man nicht die Kraft und auch nicht die Energie aufbringt, den Motor immer wieder von neuem anzuwerfen. — Man muß sich sozusagen täglich selber einen Tritt in den Allerwertesten geben. In anderen Berufen besorgt das der Chef oder der Abteilungsleiter, oder der Vorarbeiter, oder irgendein anderer...« Er verzappelte sich unter Margots Blick und griff nervös nach den Zigaretten. Margot reichte ihm das
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