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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sie sonst jede freie Minute dazu benutzten, um mit dem Bello die Straßen unsicher zu machen, sich mit den Nachbarskindern zu balgen oder mit ihnen gemeinsam Himmel und Hölle, Fangermanndl oder Versteckerles zu spielen, klebten sie, sobald Margot im Turm erschien, zäh und wie angeleimt im Zimmer. Lutz war zuerst der Meinung, sie täten es, um sich mit Margot anzufreunden. Erst, als sich an ihrer freundlich=abwartenden Haltung Margot gegenüber nichts änderte, und seine Versuche, die Kinder nach dem Kaffee zum Spielen auf die Straße zu schicken, zumal bei Traudl auf eine stumme, aber hartnäckige Ablehnung stießen, begann er die wahren Hintergründe für ihr Verhalten zu ahnen. Sie vergönnten es Margot einfach nicht, mit ihm allein zu sein! Sie wollten ihn ungeteilt für sich haben! Sie vereitelten durch eine Art passiven Widerstandes jede Annäherungsmöglichkeit zwischen Margot und ihm. Und wenn er sie mit Gewalt auf die Straße jagte, dann konnte er sicher sein, daß alle fünf Minuten eins von den Kindern die Nase zur Tür hereinsteckte, um angeblich ein vergessenes Taschentüchl, ein Messer zum Schnittzeln, einen Ball, einen Kreisel oder sonst irgend etwas zu holen. —
    Zuerst amüsierte es sie beide, aber allmählich wurde es doch einigermaßen lästig, daß sie, wenn sie sich einmal unter vier Augen sprechen wollten, ins Kino gehen oder vorgeben mußten, sie besuchten das Theater, denn wenn sie sich nur für einen Spaziergang vom Turm entfernten, dann war hundert gegen eins zu wetten, daß der Spitz ihre Spur aufnahm und sie irgendwo am Main oder in den Weinbergswegen entdeckte. Und wo der Spitz war, da waren die Kinder nicht weit. Auch abends, wenn Margot nach dem Essen noch für ein paar Stunden im Turm blieb, wiederholte sich das gleiche Spiel. Entweder waren die Kinder nicht ins Bett zu bringen, oder man hörte sie husten und miteinander tuscheln, bis Lutz Margot zur Straßenbahnhaltestelle begleiten mußte. Wenn er dann heimkam, schliefen sie fest.
    Zunächst witzelten sie über diese »garde de vertu«, aber es ließ sich nicht leugnen, daß sich hinter den Witzeleien bei Margot eine kleine Nervosität breitmachte, eine kleine eifersüchtige Verstimmung, die Lutz — nunmehr Hahn im Korbe — äußerst erheiternd fand. Wahrhaftig, es kam, wie Margot es vorausgesagt hatte, sie küßten sich, wenn er sie zur Bahn brachte, in dunklen Torbögen, deren es in dem alten Nest zum Glück ja eine Menge gab, und im Mondschatten der dicken Kastanien, die den Weg säumten.
    »Haben die Roeckels sich eigentlich schon bei dir gemeldet?« fragte sie eines Abends, als er ihr das dritte Kapitel seines
    Romans vorgelesen und lange über die Entwicklung der nächsten Abschnitte mit ihr gesprochen hatte. Er brauchte diese Gespräche, wie ein Tennisspieler die Übungswand braucht, die seine Aufgabebälle zurückspringen läßt. Der Spitz Bello lag unter seinem Stuhl und knabberte in seinem Fell nach nicht vorhandenen Flöhen.
    »Nein, mein Liebling, bis jetzt noch nicht; aber ich warte eigentlich jeden Tag auf ihre Nachricht.«
    Margot zündete sich, was sie selten tat, eine Zigarette an und schaute ihn durch den Rauch, den sie aus dem Munde quellen ließ, mit einem merkwürdigen Blick an. Er wußte sofort, daß es die Formulierung seiner Antwort war, die sie aufblicken ließ. In der Form, in der er es ausgesprochen hatte, klang es, als erwarte er die Nachricht aus Coburg mit einiger Ungeduld. Er wollte sich verbessern, aber dann unterließ er es. Ein Gefühl sagte ihm, daß es ratsamer sei, zu schweigen.
    »Die Kinder sind jetzt drei Wochen bei dir.«
    »Tatsächlich? Schon drei Wochen? Die Zeit ist schnell vergangen. — Nun ja, nach unserer Verabredung müßte Roeckel etwa in acht Tagen hier erscheinen, um die Kinder abzuholen. Wir haben uns damals allerdings nicht auf einen bestimmten Tag festgelegt.«
    »Immerhin — vier Wochen sind kein allzu dehnbarer Begriff.«
    »Nein, der Spielraum liegt eigentlich nur zwischen achtundzwanzig oder einunddreißig Tagen«, antwortete er mit einiger Pedanterie. Vielleicht sollte es scherzhaft klingen.
    Sie rauchte und betrachtete den Aschenstreifen über der Glut so nachdenklich, als grüble sie über ein verzwicktes Problem nach. Lutz schob ihr den Aschenbecher hinüber.
    »Du scheinst dich an die Gegenwart der Kinder sehr gewöhnt zu haben«, sagte sie schließlich, ohne die Stimme beim letzten Wort zu heben oder zu senken. Scheinbar erwartete sie keine Antwort, und Lutz

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