Vater sein dagegen sehr
ja auch nur vier Wochen.«
»Ja, und vielleicht holt Roeckel die Kinder auch schon früher ab. Ich hätte nichts dagegen, und ich glaube, daß er sich auf die Kinder und auf das neue Leben im Hause freut. Damit geht ihm ein alter Wunsch in Erfüllung.«
»Und dein Roman?« fragte sie. »Wirst du arbeiten können?«
»Ich habe mit den Kindern eine Vereinbarung getroffen. Wenn ich die Stirn in Denkerfalten lege, wollen sie friedlich und ruhig sein. Hoffentlich halten sie sich an die Verabredung. Nun, und wenn sie sich nicht daran halten, dann gibt es eben einmal ein bißchen Wirbel im Turm.« — Er hob das Knie und bewegte die Hand gegen einen kleinen, imaginären Hintern.
»Ich gehe heute nacht noch an die Arbeit. Der Stoff bedrängt mich, und die Figuren treten immer deutlicher aus dem Nebel. Ich bin selber voller Spannung und Erwartung.«
S E C H S T E S K A P I T E L
Es geschah selten, daß die Kinder länger als bis acht schliefen. Gewöhnlich wachten sie gegen sieben Uhr auf, wenn drüben in der Nachbarschaft der Kohlenhändler Bonficht sein Lager auf machte und den Diesel Warmlaufen ließ. Dann lagen sie wispernd in den Betten, zwischen denen der alte Tisch jetzt auf vier festen Beinen stand. Richtig hübsch und gemütlich war die Kammer geworden, seitdem der Speicherkram daraus entfernt worden und teils unter der Treppe im »Keller« und teils im Stadtgraben verschwunden war. Margot hatte nicht nur zwei Matratzen, sondern zwei altmodische, ausrangierte Bettgestelle dazu gestiftet, und Lutz hatte sie weiß gestrichen, wie richtige Kinderbetten. Die Lampe hatte einen neuen Pergamentschirm bekommen, eigenhändig angefertigt und mit einer eigenhändig getuschten, hochkünstlerischen Blumengirlande geschmückt. Und der alte Schrank stand so weit im Hintergrund und Halbdunkel, daß man gerade noch den heiligen Joseph auf der linken Tür und die heilige Anna auf der rechten und die Spruchbänder »Bitt für uns« unter den treuherzigen Bauernmalerbildern erkennen konnte, nicht aber, wie wurmstichig und zerfallen er eigentlich schon war.
Um acht schlüpften die Kinder halb angezogen ins »Studierzimmer«, wie sie den Arbeitsraum respektvoll getauft hatten, ließen den Bello Gassigassi gehen und begannen, trotz der knurrenden Proteste von Lutz, den Ofen anzuheizen. Sie versuchten zwar, so leise wie die fleißigen Männchen von Köln zu sein, um Lutz, der mit zerwühltem Haar und verknittertem Gesicht noch schlief, nicht zu wecken. Aber dann fiel dem Rudi die Kohlenschaufel dröhnend aus der Hand, oder Traudl ließ einen Kochtopfdeckel fallen, der nicht weniger Lärm machte. Immerhin kochte, wenn Lutz die Kinder dann hinausscheuchte, bereits das Teewasser, und der Rasiernapf stand dampfend unter dem Spiegel und wartete auf ihn. Natürlich fluchte er, aber er fluchte stets, wenn er erwachte, mochte es nun acht Uhr früh oder zwölf Uhr mittags sein. Er brauchte erst einen Schluck Tee und eine Zigarette, um munter zu werden und sich in den neuen Tag hineinzufinden. Die Kinder nahmen sein Knurren auch nicht ernst, höchstens, daß der Bub nach einem schiefen Blick aufs Bett zu seiner Schwester bemerkte: »Heut grantelt er aber b'sonders schwaar, der Herr Fentura!« Worauf Traudl für gewöhnlich erwiderte: »Dös hoast net schwaar, sondern das heißt schwer! Aber wart nur, i werd dir schon Hochdaitsch lerna!«
»Mistbande!« sagte Lutz dann böse und gequält.
»Aha, er redet schon! Nachher wird er bald ausgebacken sein, der Herr Schriftsteller Fentura!«
Er sprach den klangvollen Namen, über dessen Entdeckung an der Haustür die Kinder nicht wenig gestaunt hatten, mit scharfem F aus, was ihm viel von seiner Moll=Klangfarbe nahm.
Acht Tage waren sie jetzt bei Lutz im Turm — und in diesen acht Tagen hatten sie sein Leben völlig umgekrempelt. Um halb neun rasierte er sich, eine Viertelstunde später trank er seinen Tee und aß dazu ein Butterbrot, das Traudl ihm geschnitten und gestrichen hatte, und um neun konnte er mit der ersten Zigarette zwischen den Lippen schon am Schreibtisch sitzen und die Seiten überarbeiten, die er am Abend geschrieben hatte. Merkwürdig, daß es ihm plötzlich möglich war, am Tage zu arbeiten, und noch merkwürdiger, daß ihm um elf Uhr abends die Lider schwer zu werden begannen, während er früher erst um diese Stunde recht eigentlich munter und arbeitslustig geworden war. Und er spürte, daß er gut arbeitete, klar, sicher und diszipliniert. Die Bilder waren treffend, die
Weitere Kostenlose Bücher