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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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leisem Erstaunen ins Gesicht. Ihre Augen fragten deutlich, ob er es denn eigentlich selber glaube, was er sagte. —
    »Ich hab ja auch nur gemeint...«, sagte Traudl mit einem kühlen Schulterzucken. — Lutz erhob sich vom Tisch. Er zündete sich eine Zigarette an und ging zu seinem Arbeitsplatz hinüber. Es war das Signal für die Kinder, zu verschwinden, und es war ziemlich überflüssig, daß er die schweigende Übereinkunft, die sie bisher immer eingehalten hatten, durch ein ärgerliches: »Trollt euch jetzt gefälligst!« brach. Die Kinder hüpften von ihren Stühlen, und der Rudi nahm noch ein paar Hasenöhrl für unterwegs mit. Sie machten die Tür hinter sich geräuschlos zu und schlichen die Stiege hinunter.
    »I moan, beim Herrn Fentura ham mir's Kraut sauba ausgeschütt't — mit seiner Margot«, hörte er den Buben draußen wispern.
    »De soll er nur heiraten, sei' Margot, daß er sein Herrgott erkenna lernt!« gab sie ihrem Bruder zurück.
    Es juckte Lutz in den Händen, ihnen allen beiden den Hintern zu versohlen. Aber plötzlich mußte er grinsen. Er sah Margot vor dem brutzelnden Fettopf am glühenden Ofen stehen und sah sie die heißen und tropfenden Hasenöhrl mit dem Schaumlöffel in den gepflegten Fingern herausfischen. Es war ein komisches Bild. Irgend etwas stimmte da nicht. Aber er zog es vor, seiner Phantasie die Flügel zu stutzen. So überwältigend komisch waren seine Gedanken nämlich gar nicht.
    Er machte sich mit einem Seufzer wieder über seine Arbeit her. Die Propeller der Maschine, die inzwischen über Paris kreiste und Funkverbindung mit dem Flughafen aufnahm, begannen in seinem Ohr zu rauschen. Und er sah das straffe, beherrschte Gesicht des Piloten, der die Passagiere mit einer umfassenden Handbewegung um Gehör bat. Er sah auch die kleinen Schweißperlen, die auf der glattrasierten Oberlippe des Unglücksboten standen. — Aber er spürte, daß ihm der letzte Schwung fehlte, der helle Elan, der ihn noch am Vormittag bei seiner Arbeit beseelt hatte. Wenn er sich über die Papiere beugte, dann knisterte der Brief aus Coburg in seiner Brusttasche. —
    Margot war für zwei Tage nach München gefahren. Sie hatte keine zwingenden Gründe für diese Reise, und es war ihr auch nicht gelungen, Karten für ein Gründgens=Gastspiel in den Kammerspielen des Schauspielhauses zu bekommen. Sie hatte Lutz gesagt, daß ihre Reise mit der Beschaffung ihrer Aussteuer zusammenhinge, aber er ahnte, daß die Kinder sie nervös machten und daß sie einen Grund brauchte, um dem Turm einmal für ein paar Tage fernbleiben zu können.
    Natürlich hatte Lutz die Absicht, Margot den Brief aus Coburg zu zeigen, als sie sich nach dreitägiger Abwesenheit am Donnerstag wieder in Hallfeld einfand. Er unterließ es nicht nur, sondern er antwortete ihr auf ihre Frage, ob Roeckel sich inzwischen gemeldet habe, mit einer glatten Lüge. Es war ihm selber nicht klar, weshalb er es tat. Fürchtete er ihr Aufatmen? Oder wollte er es selber nicht wahrhaben? Aber was war das schon für ein lächerlicher Aufschub? Morgen mußte es ja doch geschehen. —
    Dieser »schwarze Freitag« begann wie jeder andere Tag damit, daß die Kinder kurz nach acht ins Arbeitszimmer schlüpften, um den Bello hinauszulassen und den Herd anzuheizen. Das Wetter war unfreundlich und regnerisch. Der April benahm sich ganz aprilmäßig. An Traudls schmalem Handgelenk klirrte ein pompöses Armband, das Margot ihr aus München mitgebracht hatte, und der Bub trug sein Geschenk, eine braune Wollmütze mit keck nach oben gebogenem Schirm, stolz auf dem Kopf. Er schien mit dieser Mütze geschlafen zu haben. Weiß der Himmel, aber so unsympathisch schien ihnen das »Fräulein Sonnemann« gar nicht zu sein. — Um halb neun schellte der Postbote. Traudl stürzte hinunter und brachte Lutz die Post ans Bett. Sie wog die Briefe sachkundig in der Hand.
    »Drei Bumerangs und zwei Treffer, wann's gewiß ist!«
    Lutz wurde munter. Die Post machte ihn immer munter.
    »Unberufen!« Er spuckte dreimal leicht über die linke Schulter und riß zuerst die Umschläge der dünnen Briefe auf. Es waren tatsächlich zwei Annahmen. Und sie brachten ihm siebzig Mark ein. Die Kinder hüpften vor Aufregung. Siebzig Mark!
    »Ich mein, wir leisten uns heut statt dem Teegeschlamps an Kaffee, ha?« schlug Traudl vor. Kaffee für Lutz hieß: Kakao für die Kinder.
    »Und i hol Butterhörndl vom Seitlinger, sagst ja?«
    »Also los!« sagte Lutz, aber es klang nicht sehr

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