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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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verstanden?«
    Die Kinder nickten einigermaßen beklommen.
    »Muß das sein?« fragte der Rudi kleinlaut. »Ich mein, daß du uns schon morgen anmeldest, Onkel Lutz?«
    »Ich hab mir halt gedacht, wo es bis zu den Pfingstferien nur noch acht Täge sind...«, murmelte Traudl.
    »Tage! Nicht Täge!!« sagte Lutz eisern. »Außerdem muß es sein. Schluß mit der Debatte!«
    »Dann müssen wir jeden Morgen um sieben 'raus!« warf die Traudl lauernd ein. Nun, wenn das kein Argument war gegen die Schule!
    »Wunderbar!« rief Lutz beglückt. »Seit Jahren wünsche ich mir nichts sehnlicher, als um sieben Uhr morgens aufzustehen.
    — Aber ich brauche ja gar nicht aufzustehen, ich gehe ja nicht zur Schule, sondern ihr!«
    »Und wer kocht das Mittagessen, wenn wir erst um zwölf oder gar um eins heimkommen, ha?«
    »Wir alle drei, genauso wie früher. Aber gebt euch keine
    Mühe, es ist hoffnungslos. Gegen die Schule ist kein Kraut gewachsen.«
    »Da kannst halt nix macha!« murmelte der Rudi erbittert.
    Am nächsten Vormittag trabten sie frisch abgeschrubbt, vor Sauberkeit leuchtend, mit weißen Hälsen und mit Haaren, die naß an den Schädel gebürstet waren, neben Lutz her. Die Aussicht, neue Spielgefährten zu finden, hatte ihnen den harten Schulbrocken ein wenig mundgerechter gemacht. Lutz stellte sie dem Schulleiter der Hallfelder Volksschule vor, einem älteren Herrn, der ihm eigene »literarische Sünden«, allerdings auf dem Gebiet der Mundartdichtung, eingestand. Das Schicksal der Kinder beeindruckte den Rektor, und er rief in der Pause die Klassenleiter der fünften und zweiten Klasse in sein Amtszimmer, um ihnen die neuen Schüler vorzustellen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grunde lebte Lutz in der Zwangsvorstellung, Volksschullehrerinnen müßten geschlechtslose Produkte irgendeiner merkwürdigen Jungfernzeugung sein und ihre männlichen Kollegen einer besonders muffigen Spezies des Schulmeistertypus angehören. Er war ziemlich überrascht, in Herrn Meusel, dem Lehrer von Traudl, einen Mann seines eigenen Alters kennenzulernen, gescheit, humorvoll und als Forscher eifrig mit der Vorgeschichte seiner Heimat beschäftigt, der er seine Freizeit als Mitarbeiter Wissenschaftlicher Zeitungen widmete. Und noch mehr überraschte ihn die Klassenleiterin von Rudi, Fräulein Leinegger; der weiße Berufskittel konnte die durchaus weiblichen Kurven ihres Körpers und seinen prachtvollen Wuchs nicht verbergen, ihr blondes Haar, über dem Scheitel straffgekämmt und in Locken auf die Schultern fallend, leuchtete wie ein goldener Helm, und unter ihren Wangenknochen lagen bezaubernde Schatten.
    Die Aufnahmeformalitäten waren rasch vollzogen. Auch die Kinder schienen mit ihren zukünftigen Lehrern zufrieden zu sein und sich mit ihrem Schicksal ausgesöhnt zu haben.
    »Du, weißt, Onkel Lutz«, meinte Traudl auf dem Heimweg und fuhr sich dabei mit der Zungenspitze lüstern über die Lippen, »heut ist doch noch Feiertag, gell?«
    Lutz stellte sich schwerhörig.
    »Und der Onkel Friedrich hat zehn Markl geschickt.«
    Lutz tat, als entsänne er sich langsam dieser Tatsache.
    »Richtig«, sagte er, »da können wir uns ein Brot und die gute Vierfruchtmarmelade zum Kaffee leisten.«
    Die Kinder schluckten enttäuscht. »O mei' — Marmelad'!«
    »Oder habt ihr an etwas anderes gedacht?« fragte er scheinheilig.
    »Mir ham halt denkt...«, begann der Bub.
    »Wir haben gedacht!« verbesserte ihn seine Schwester.
    »Wir haben gedacht, wenn wir beim Sandmeier für ein Fuchzgerl — i mein, für ein Fünfzigerl — Zitronenwaffeln kaufen täten und für dich ein Stückl Prinzregententorte, ha, wär das woas?«
    Lutz grinste und klimperte mit dem Kleingeld, das er lose in der Tasche trug. Er drückte Traudl zwei Mark für drei Stück Torte und die unvermeidlichen Zitronenwaffeln in die Hand. Die Kinder stoben davon. Er ging auf kürzestem Wege heim, um dem Bello Auslauf zu geben, den sie in den Turm eingesperrt hatten.
    Bei der Post, die unter dem Briefschlitz am Boden lag, befand sich ein Brief von Margot. Er hatte ihn fast erwartet, wenn auch noch nicht so bald. Sie war sonst immer dickschädliger gewesen, wenn es zwischen ihnen mal einen kleinen Krach gegeben hatte. — Mir eine hereinzuhauen! dachte er; eigentlich ist es nicht zu entschuldigen. Nein, mein Herzblatt, dieses Mal kommst du mir mit einem Briefchen und einem Tränchen nicht davon. Dieses Mal habe ich den dicken Schädel. Dieses Mal sollst du mir ein wenig zappeln!
    Er

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