Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
schlitzte den blauen, seidengefütterten Umschlag auf und wurde immer stiller, je länger er las.

    »Lieber Lutz!
    Wenn Du diesen Brief empfängst, bin ich auf dem Wege nach Koblenz, wo ich ein paar Monate bei meiner Schwester verbringen werde. Damit gehe ich allen Peinlichkeiten und den Kondolenzbesuchen der lieben Freunde aus dem Wege. Es tut mir leid, daß ich mich so scheußlich aufgeführt habe. Wenn ich es ungeschehen machen könnte, täte ich es gem. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn Du mir nach einiger Zeit sagen könntest, daß Du die häßliche Szene vergeben und vergessen hast. Aber ich glaube, daß der Sprung, den der Topf bekommen hat, nicht mehr zu kitten ist. Ja, ich glaube, daß es für uns beide am besten so ist, daß er den Sprung rechtzeitig bekam, bevor... leb mag es nicht mehr aussprechen und ich mag nicht mehr daran denken. Aber ich muß oft an Deine Worte denken, daß Du nur eine Frau für jedes Wetter gebrauchen kannst. Innerlich wollte ich es mir nie eingestehen, daß ich diese Frau nicht bin. Vielleicht aber ist meine verspätete Einsicht der Hauptgrund dafür, daß ich die gestrigen Ereignisse zum Anlaß nehme, um aus Würzburg und auch aus Deinem Leben zu verschwinden. Eigentlich ist es eine Flucht. Auch eine Flucht vor mir selber, denn ich traue meiner Standhaftigkeit nicht. — Daß ich inzwischen eingesehen habe, daß Du eine fast selbstverständliche Pflicht erfüllt hast, als Du die Kinder Deiner Schwester zu Dir nahmst, brauche ich Dir wohl nicht extra zu erzählen. — Ernsthaft kränken würde es mich, wenn Du unsere Trennung zum Anlaß nähmest, mir nun etwa die Kleinigkeiten zurückzuschicken, mit denen wir uns Deinen Turm aus dem Überfluß der Speichervorräte meines Elternhauses ein wenig gemütlich gemacht haben. Ich jedenfalls behalte Dein schönes Kaffeeservice. Es soll mich noch lange an Dich und die schönen Stunden und Jahre, die wir miteinander verlebt haben, er« innern. Ich bleibe in der Hoffnung, daß wir uns in späterer Zukunft immer freundschaftlich begegnen werden, Deine Margot.«

    ---

    »Hast du geweint, Onkel Lutz?« fragte Traudl, als die Kinder mit dem Kuchenpaket ins Zimmer stürmten.
    »Pfeigrad schaut er aus, der Herr Schriftsteller Fentura, als ob er g'röhrt hätt'«, stellte auch der Rudi fest.
    »Quatsch«, brummte Lutz ärgerlich, »mir ist beim Heimweg etwas ins Auge geflogen.«
    »Du mußt den obern Augendeckel über den untern ziehn und dreimal richtig schneizn«, empfahl der Bub, »das hilft immer!« Er zog sein Schnupftüchel aus der Hosentasche und bot es Lutz hilfsbereit an. Es sah aus, als ob er damit eine Woche lang die Kochtöpfe geputzt hätte.

E L F T E S K A P I T E L

    Zwei Monate lang, bis zum Beginn der Sommerferien, stand Lutz gemeinsam mit den Kindern um sieben Uhr morgens auf. Um halb acht tranken sie ihre Milch, um dreiviertel kontrollierte er ihre Schulranzen noch einmal und begleitete die Kinder mit dem Spitz Bello ein Stück auf ihrem Schulweg. Inzwischen kochte daheim das Rasierwasser. Für gewöhnlich fuhr er gegen neun Uhr zum Besuch der Staatsbibliothek in die Stadt und arbeitete dort zwei oder drei Stunden lang, um Material für eine Artikelserie zusammenzustellen; jene Zeitschrift, die seinen Greelybericht erfolgreich veröffentlicht hatte, hatte ihn angeregt, eine Darstellung der großen Abenteurer der Weltgeschichte zu geben. Böcklins bekanntes romantisches Bild und Hartlebens Verse dazu schwebten ihm als Motto vor: »Hier ist das Land. So rudert denn den Kahn zurück und meldet den Gefährten, ich betrat mein Reich.
    Als Fürsten sehen sie mich wieder oder nie...«
    Der Stoff bot sich Lutz in Fülle. Vom Altertum bis in die jüngste Gegenwart. Da war die Gestalt des Pseudo=Smerdis, den die persischen Priester an Stelle des von seinem Bruder Kambyses ermordeten Prinzen Smerdis auf den persischen Thron erheben wollten. Oder Tertius Maximus, ein freigelassener Sklave, den seine verblüffende Ähnlichkeit mit Nero dazu verführte, die Rolle des ermordeten Kaisers mit Erfolg weiterzuspielen, bis man seinen Trug entdeckte und seinen Kopf in den Tiber warf. Oder Tile Kolup, der sich dreißig Jahre nach Friedrichs II. Tode für den großen Hohenstaufenkaiser ausgab und die damalige Welt jahrelang in Atem hielt, bis auch sein Betrügerleben auf einem Holzstoß endete. Da war die Figur des falschen Waldemar. Und Pugatschow, der Doppelgänger des Zaren Peter III., der das ganze südliche Rußland in Brand und Aufruhr

Weitere Kostenlose Bücher