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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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setzte, bevor er den Gang aufs Schafott antrat. —
    Der Zug der Gestalten war so unendlich groß und das Quellenmaterial so reich und interessant, daß die Auswahl der Figuren Lutz fast mehr Mühe bereitete als die schriftstellerische Arbeit selbst.
    Zum Mittagessen fanden sie sich dann wieder alle im Turm ein. Zumeist gab es nur ein rasch zubereitetes Gericht, eine Gemüsesuppe mit Reis, einen Pudding mit Früchten, ein paar Pfannekuchen mit Kompott oder Salat. — Der Sommer war ungewöhnlich warm, und nicht einmal der Bello war bei der Hitze richtig bei Appetit. Besser schmeckten ihnen dann am Nachmittag auf der Riedinsel oder weiter droben am Main im Freibad die Brote, die sie daheim zurechtgemacht hatten. Die Kinder waren gesund und braun wie frische Haselnüsse.
    Immer nahm sich Lutz etwas zum Lesen mit, aber es geschah sehr selten, daß er zum Lesen kam. Er tobte mit den Kindern und mit dem Spitz im Wasser herum, lehrte sie schwimmen und tauchen, spielte mit ihnen und einer Schar von Freunden, die sich ihm allmählich ganz ohne sein Zutun als ständiges Gefolge zugesellt hatte. Wasserball und alle möglichen Spiele oder sie lagen faul im Ufergras und ließen sich von der Sonne rösten.
    »Ihr habt einen pfundigen Papa!« sagten die anderen Kinder zu den beiden neidisch.
    »Als unserer arbeitslos war, ist er mit uns auch immer zum Baden gegangen — und zum Fischfängen auch!« trumpfte ein Bub auf.
    »Aber unserer ist nicht arbeitslos!« schrien dann die Traudl und der Rudi empört.
    »Na, was ist er denn sonst, wenn er hier den ganzen Tag herumflacken kann, he?«
    »Der schreibt Romane! — Und überhaupt ist er gar nicht unser Papa, sondern er ist unser Onkel.«
    »Ich hab' auch einen Onkel!«
    »Aber nicht so einen pfundigen wie wir!«
    »Was?! Meiner is Metzger! Is das ebba nix?«
    »O mei', Metzger — das wird scho was sein!« sagte die Traudl verächtlich. »An Schokoladengeschäft, wenn er vielleicht hätt', oder a Eisdielen — aber Metzger, o mei'! Den kannst dir aufn Hut aufistecka, dei' Onkl!«
    Es ist anzunehmen, daß sie für Lutz, wenn man es von ihnen verlangt hätte, durchs Feuer gegangen wären. Sie liebten ihn mit einer eifersüchtigen Liebe, die manchmal nicht ganz bequem war. Allerdings kam beim Rudi gleich hinter Lutz seine Lehrerin, Fräulein Leinegger, für die er eine schwärmerishe Neigung gefaßt hatte. Lutz mußte ihm zweimal den Hintern versohlen, weil der Knabe Rudi aus den Nachbargärten Blumen stahl, um sie seiner Angebeteten aufs Katheder zu legen.
    Manchmal trafen sie das »Lehrerfräulein« im Riedinsel=Bad, aber Lutz hatte außer ein paar höflichen Begrüßungsworten und Erkundigungen nach Rudis Leistungen in der Schule zu der jungen Dame keine weitere Verbindung aufgenommen. Es lag daran, daß er nicht sehr unterhaltungsbedürftig war und im geheimen Margot doch noch nachtrauerte. Außerdem aber erschien Fräulein Leinegger nur sehr selten ohne Herrenbegleitung im Bad. Zumeist befand sich ein junger, sehr gut gewachsener Mann in ihrer Gesellschaft, mit dem sie weit in den Strom hinausschwamm und mit dem sie sich zuweilen auch im Wasser balgte und neckte. Lutz fand, daß ihr Benehmen für eine Lehrerin ziemlich frei war.
    Gegen fünf trat er dann mit den Kindern den Heimweg an. Manchmal allerdings, wenn Fräulein Leinegger auf die Kinder zu achten versprach, überließ er sie ihr und war nicht ängstlich, wenn sie erst zum Abendessen im Turm erschienen. Dann setzte er sich an den Schreibtisch, die Kinder machten ihre kleinen, der Sommerzeit angemessenen Hausaufgaben, und später, wenn sie übermüdet schliefen, machte er sich an seinen Roman heran, der sich den letzten Kapiteln näherte. Alles, was er sonst schrieb, geschah nebenher. Die Artikelserie betrachtete er als Übung fürs Handgelenk. Dem Roman widmete er sich ganz, und er spürte auch deutlich, daß er eine gute Arbeit leistete und daß er selber mit der Arbeit wuchs.
    Von Margot hatte er seit jenem Brief nur noch eine Karte mit einem Gruß und ein paar Worten des Dankes für einen Brief erhalten, den er ihr geschrieben hatte. Trotz aller Einsicht, daß ihre Trennung das Beste für sie beide war, war es ihm nicht leichtgefallen, Margot zu vergessen. Wochenlang war es ihm geschehen, daß sein Atem stockte, wenn unten unerwartet die Glocke ertönte oder wenn er durchs geöffnete Fenster das Klappern von Absätzen hörte, die sich dem Turm näherten. Jetzt war er darüber hinweg, und er gestand sich ein, daß Margot

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