Vater sein dagegen sehr
auf der er ein Manuskript mit mehreren Durchschlägen abschrieb, hämmerte so lärmend, daß er ihren Eintritt ins Zimmer überhörte. Erst als ihn mit dem Luftzug der Tür der Duft ihres Parfüms erreichte, drehte er sich überrascht um. Beglückt über ihren Besuch sah er nicht aus.
»Du — Margot?« Er erhob sich langsam.
»Hör mal, du siehst aus — wie das verkörperte schlechte Gewissen. — Man könnte direkt meinen, du hättest eine andere erwartet. — Gestehe, Schurke!« Sie hob mit theatralischer Gebärde einen imaginären Dolch, um ihn zu durchbohren.
Lutz lachte nicht, er lächelte nicht einmal. Er machte ein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen, und Margot wartete auch auf einen Kuß von ihm vergebens. Er hüstelte und fuhr sich mit der flachen Hand über das noch unrasierte Kinn. Es gab ein kratzendes Geräusch.
Margot schaute ihn mit einem Blick an, als überlege sie ernsthaft, ob sie mit ihrem im Scherz ausgesprochenen Verdacht, er treibe hier »Nebendinge«, nicht vielleicht doch das Richtige getroffen habe.
»Ich finde dich reichlich merkwürdig«, sagte sie schließlich.
»Komm, Kind, setz dich erst einmal hin«, bat er ein wenig heiser und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
»Du machst es wirklich mächtig spannend«, sagte sie mit wachsendem Mißtrauen und mit wachsendem Unbehagen in ihrem fragenden Blick; »du scheinst ja eine reizende Überraschung für mich vorbereitet zu haben.« Und als ahne sie das Schlimmste, preßte sie plötzlich die Hände gegen ihr wild klopfendes Herz: »Um Gottes willen, Lutz, das kannst du mir doch nicht antun — jetzt, wo es die ganze Stadt weiß, daß wir in vierzehn Tagen heiraten!«
Er starrte sie an, als begriffe er nicht, was sie meinte — und als er es dann begriffen hatte, als zweifle er an ihrem Verstande.
»Ich glaube, du bist wirklich ein wenig verrückt, mein Liebling«, sagte er kopfschüttelnd und mit einem schwachen Versuch, gut gelaunt zu erscheinen. Er zog sich einen Stuhl heran und nahm Margot gegenüber im Reitsitz Platz. — »Es ist etwas anderes, was ich dir zu sagen habe. Kurz und schmerzlos: die Kinder sind den Roeckels in Coburg ausgerissen und saßen vorgestern in der Nacht unten auf meiner Schwelle.«
»Was?« rief sie verblüfft. »Das ist ja wirklich ein tolles Stück, das sie da geliefert haben!« Aber sie atmete auf. »Und dann hast du sie also zurückexpediert. Nun schön. Aber hör einmal, Lutz, du hättest mich ja wenigstens anläuten können, bevor du sie nach Coburg zurückbrachtest. Soviel Rücksicht kann ich wohl von dir verlangen.«
Es kostete ihn eine übermenschliche Anstrengung.
»Ich habe die Kinder nicht nach Coburg zurückgebracht«, sagte er langsam und überdeutlich, als übersetze er einen schwierigen Text aus einer fremden Sprache, »die Kinder sind hier bei mir.«
In Margots Gesicht begann das rechte Augenlid zu zucken.
»Du willst damit doch hoffentlich nicht sagen, daß die Kinder nun hierbleiben?« fragte sie, aber im Tonfall ihrer Frage lag eine Schärfe, als hätte sie über seine Antwort keinen Zweifel mehr.
»Noch am gleichen Tage, an dem die Kinder hier ankamen, bekam ich eine Depesche aus Coburg. Die Roeckels ahnten natürlich, wohin die Kinder ausgerückt waren. Am nächsten Morgen benachrichtigte ich sie, und noch am gleichen Nachmittag traf Roeckel hier ein, um die Kinder abzuholen...«
Er sah, daß Margot ihn unterbrechen wollte, und bat sie mit einer Handbewegung, ihn zu Ende sprechen zu lassen: »Bei den Roeckels ist, seitdem die Kinder im Hause sind, der
Teufel los. Den ganzen Tag gibt es zwischen den beiden Alten der Kinder wegen Krach und Stunk. Und natürlich haben es die Kinder zum Schluß auszubaden. Roeckel war mit seinen Nerven und mit seiner Weisheit, wie das bei ihm weitergehen sollte, am Ende. Die letzte Möglichkeit, die ihm blieb, um den Frieden im Hause wiederherzustellen, war die, daß er die Kinder in ein Waisenhaus oder in eine Erziehungsanstalt stecken wollte.«
»Na und? Ist denn das so schlimm?« fragte Margot, nachdem sie eine kleine Weile auf eine Fortsetzung seines Berichtes gewartet hatte.
»Ich weiß nicht, ob es schlimm ist«, sagte Lutz verkniffen, »aber ich stelle es mir ziemlich schlimm vor!«
Margot preßte die karminroten, spitz zugefeilten Fingernägel in die Handflächen. Sie hatte Temperament, und sie hatte Lutz im Verlaufe der Jahre schon einige kleine Proben dieses Temperaments zu kosten gegeben. Es war ziemlich unangenehm, wenn sie die
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