Vater sein dagegen sehr
gut, die Hände unter das prickelnd kalte Wasser zu halten und aus den Händen zu trinken. Er betrachtete sich im Spiegel. Die linke Wange glühte auf, und der Nagelkratzer zog sich wie ein Schmiß quer herüber. So, mein Herzchen, dieses war der letzte Streich! Du bist mir ein allzu temperamentvolles Mädchen. Und nun ist es also zwischen uns beiden zu Ende. Wirklich? — Ich kann es mir eigentlich noch nicht recht vorstellen, daß ich das Klappern deiner Absätze nie mehr auf der Treppe hören werde. Übrigens, wie ist das eigentlich nach solch zerbrochenen Liebesgeschichten? Ich werde einen Dienstmann bestellen müssen, um dir alles zurückstellen zu lassen, womit du uns hier das Nest gepolstert hast, wie? »... und sehe ich mich gezwungen, die Verlobung aufzulösen und bitte Sie, mein verehrtes gnädiges Fräulein, gewisse Gegenstände, die sie mir freundlichst überließen, anbei wieder entgegennehmen zu wollen, hochachtungsvoll...«
Als die Kinder mit dem Bello zehn Minuten später herauftrollten, hatten beide Gesichtshälften von Lutz wieder nahezu die gleiche Farbe.
»Du, Onkel Lutz, was hat sie bloß gehabt, die Tante Margot? Wir haben ihr geschrien, aber sie ist wie narrisch an uns vorbeigestoben.«
»Grad g'rennt ist sie!« bestätigte der Rudi eifrig.
»Ach«, murmelte Lutz, »sie hat es ziemlich eilig gehabt, um ihre Trambahn noch zu erwischen...« Er stutzte plötzlich, als horche er einem Klang nach. Hatte Traudl nicht soeben »Tante Margot« gesagt?
»Hast du >Tante Margot< gesagt?« fragte er.
Traudl druckste herum.
»Mei', wir haben uns halt so geeinigt, der Rudi und ich — weil wir denkt haben, daß es dich g'freut...«
»Und weil sie eigentlich a ganz a zünftigs Weiberleut is, und weil sie ja doch unsere Tante wird, wenn du sie heiraten tust«, ergänzte der Bub.
»Weißt«, sagte die Kleine, »aber zur Hochzeit bräucht ich an weißes Kleid. Die Kinder, wo Blumen streuen, haben immer weiße Kleider an.«
Lutz kaute an seiner Unterlippe: »Erstens heißt es nicht, die Kinder, wo Blumen streuen, sondern: die Kinder, die Blumen streuen. Und zweitens wird das Blumenstreuen wahrscheinlich auf unbestimmte Zeit verschoben.«
»Ha?« machten die Kinder verblüfft.
»Es haben sich da kleine Schwierigkeiten ergeben«, murmelte Lutz, »wegen der Papiere und so — tcha — hm — wahrscheinlich wird Fräulein Sonnemann für längere Zeit verreisen müssen.« Er schloß mit einer ungeduldigen Handbewegung (weshalb erzähle ich euch das eigentlich?) und ging zur Wasserleitung, um noch einen Schluck zu trinken. Hinter ihm standen die Kinder und sahen sich bedeutungsvoll an.
»Au weh, Traudl«, wisperte der Bub, »hast as g'hört? Fräulein Sonnemann hat er g'sagt; i moan, i moan, da hat's geschnackelt!«
»Sei stad!« flüsterte seine Schwester ihm zu und preßte den Zeigefinger warnend gegen ihre Lippen.
Am Nachmittag rollte das Fuhrwerk von der Bahnspedition vor den Turm und lud die Sachen ab, die von Coburg eingetroffen waren. Zwei wollene Steppdecken, zwei Kopfkissen und zwei Unterbetten mitsamt den Bezügen, die Roeckel für die Kinder angeschafft hatte, waren dabei. Die Aussteuer wuchs zusehends. Bis zum Abend hatten sie zu dritt alle Hände voll zu tun, um das Kinderzimmer wieder wie früher einzurichten. Fast gleichzeitig traf ein Brief von Friedrich Roeckel ein, in dem neben einem Zehnmarkschein die persönlichen Papiere, Schulzeugnisse und Abgangsbescheinigungen der Kinder lagen. Damit tauchte ein neues Problem vor Lutz auf, an das er bis zu dieser Stunde nicht gedacht hatte. Friedrich Roeckel schrieb ihm, daß es mit der Aufnahme Traudls in die Oberschule wohl Schwierigkeiten geben werde, da ihr Schulzeugnis nicht eben glänzend sei. Er überließ es Lutz, nach eigenem Ermessen zu handeln, schlug ihm aber vor, Traudl noch für ein Jahr in die Volksschule zu schicken, ein Jahr, das im Leben keine große Rolle spiele und schließlich leicht einzuholen sei. Es war ein vernünftiger Vorschlag, den Lutz ohne langes Besinnen akzeptierte.
»Morgen werde ich euch hier in der Schule anmelden«, sagte er ohne alle Zartheit bei einem so schmerzlichen Thema. »Und das eine sage ich euch gleich: mit solch elenden Zeugnissen kommt ihr mir nicht mehr heim! Rechnen gut — na schön! Aber Deutsch mangelhaft? Das ist unmöglich, das ist im Hause eines Schriftstellers eine Schweinerei! Wenn das nicht besser wird, werde ich euch zwiebeln, bis ihr blutige Tränen weint. Haben wir uns
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