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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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Termine anberaumt.
    Organisationen wie diese Kulte, die über mehrere Generationen existieren, planen langfristig. Um nicht allein auf Informationsbeschaffung durch erpressbare und bestechliche Personen angewiesen zu sein, wird die Ausbildung der Kinder und jugendlichen Gruppenmitglieder in die Entwicklungsstrategie der Gruppe einbezogen.
    Kinder, die qua Familientradition ohnehin in einem Doppelleben aufwachsen und es gewohnt sind, »die Welten getrennt zu halten«, wie man es auch Angela beigebracht hatte, werden häufig gezielt in erwünschten Berufen ausgebildet.
    Jeder Gründer eines Familienunternehmens, etwa einer Kaufhauskette oder einer Fabrik, findet es erstrebenswert, wenn seine Kinder Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Steuerrecht, Jura studieren und möglichst noch das Management-Diplom einer amerikanischen Universität erwerben, um auf diese Weise abzusichern, dass das Unternehmen im Familienbesitz bleiben, blühen und gedeihen kann. Generation nach Generation.
    Mindestens ebenso stark ist das Interesse des Oberhauptes einer geheimen Sekte, die Tötungen praktiziert, Folterungen durchführt, Kinderpornographie produziert und vertreibt, auf möglichst unkomplizierte, zuverlässige Weise langfristig den Bestand zu sichern und für Expansion zu sorgen.
    Natürlich erfordern die häufigen finanziellen Transaktionen gute Kontakte zum Bankgewerbe, da derartige Geschäfte diskret abgewickelt werden müssen.
    Wie gewinnt man die erforderlichen Mitglieder?
    Es lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob die Organisation sich erst für den erwachsenen Werner Bahr, den Bankdirektor, interessierte oder ob der Einfluss schon früher begann und seine berufliche Laufbahn von der Organisation mitbestimmt wurde.
    Werner Bahrs Neigung zu kleinen Mädchen war früh bekannt. Nicht nur ihm. Auch der Familie. Werner war erst sechzehn, als die Familie beschloss, dass er seine Ausbildung besser bei einem entfernten Onkel fortsetzen sollte. Der Onkel war Bankangestellter. Auf diese Weise kam Werner ins Geldgeschäft. Vorher ein mittelmäßiger bis schlechter Schüler, begann er nun, hervorragende Leistungen zu zeigen. Onkel und Tante förderten seine Karriere nach Kräften. Schon Mitte zwanzig füllte er eine leitende Funktion aus in der Bank, in der sein Onkel arbeitete.
    Der Zugriff auf kleine Mädchen war während seiner Jugend überwiegend im Rahmen der erweiterten Familie ermöglicht worden, meist kostenlos oder abgegolten durch kleinere Schweigegeschenke. Das ist so ungewöhnlich nicht. Die Zahl der Familien, in denen Kinder, besonders Mädchen, als Leibeigene betrachtet werden, wird immer noch massiv unterschätzt. Amerikanische Untersuchungen zeigen, dass Inzest in zehn Prozent aller amerikanischen Familien praktiziert wird. 68 In Deutschland ist sicherlich von ähnlichen Zahlen auszugehen. In typischen inzestuösen Familien »herrscht ein Mangel an emotionaler Zuwendung«, stellt die Medizinerin Elisabeth Trube-Becker fest. »Die Eltern sind nicht in der Lage, Grenzen von Privatheit, Körperlichkeit und Sexualität im Kontakt mit ihrem Kind zu spüren und einzuhalten.« 69 Gleichzeitig setzen sie ihre eigenen Bedürfnisse rücksichtslos durch. Die Kombination, die Angela erlitt – brutale körperliche Gewalt und sexuelle Zärtlichkeit, die immer gewalttätiger wurde –, ist typisch für diese Familienverbände. Was hat Werner Bahr in seiner eigenen Kindheit erlebt? Meist eskaliert Gewalt von Generation zu Generation. Nur wenn es – wie bei Angela Lenz – gelingt, den Kreislauf zu unterbrechen, besteht Hoffnung auf Veränderung.
    Als Werner Bahr nicht mehr zu Hause lebte, musste er sich die Befriedigung seiner Bedürfnisse erkaufen. Dadurch wurde seine Neigung außerhalb der Familie bekannt. Und er wurde erpressbar.
    Werner Bahr war leicht zu erpressen. Er war ein schwacher Mann mit einem zerstörten Selbstbewusstsein, mit Prügeln und Demütigungen nach allen Regeln der schwarzen Pädagogik erzogen. Mühsam musste er sein brüchiges Selbst stützen, alles konnte ihm zur Bedrohung werden. Nur in Hierarchien konnte er sich stabilisieren, dort, wo oben und unten strikt festgelegt ist. Trost, Halt und Befriedigung suchte er bei den Schwächsten, den Wehrlosesten: den Kindern.
    Der Kontakt zur Sekte scheint über einen der vielen Onkel aus dem erweiterten Freundeskreis zustande gekommen zu sein, Onkel Paul. Es hat den Anschein, als sei die erste Teilnahme nicht freiwillig gewesen, sondern erpresst worden. Man

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