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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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stammt. Im Moment haben wir nur Theorien, was die Chronologie angeht. Dann ging der Typ entweder in das Zimmer des Babys oder in das des kleinen Jungen. Emma wachte auf, hat wahrscheinlich gesehen, was passierte, dann nahm sie das schnurlose Telefon von der Station und ging zurück in ihr Zimmer, wo sie sich versteckte und den Notruf alarmierte. Und dann kommt Daddy rein und ruft nach ihr, als er sie nicht im Bettchen findet. Als er sie entdeckt, ruft sie ‹Daddy, nein!› und legt auf.» Vor einer geschlossenen Tür blieb Latarrino stehen. Er runzelte die Stirn und rieb sich die Augen.
« Wie seine Mutter wurde auch Danny im Bett gefunden. So Gott will, hat der Kleine nichts mitbekommen. Er hat einen Gutenachtkuss bekommen und ist nie wieder auf gewacht», sagte er und öffnete die Tür. Julia hielt die Luft an. Die blau-rot gestreifte Tapete war mit Rennwagen verziert, und in den weißen Regalen standen Dutzende von Matchboxautos. Auf dem Boden waren eine Autowerkstatt und eine Carrerabahn aufgebaut. Ein rot-gelbes Kinderbett in der Form eines Rennwagens stand an der gegenüberliegenden Wand. Genau wie im Schlafzimmer der Eltern hatte die Spurensicherung auch hier Bettzeug und Laken mitgenommen.
« Das Bett sieht sauber aus», stellte Julia fest.
« Wir haben Blutspritzer an der Wand gefunden, aber wegen der roten Tapete, und weil sie hier schon sauber gemacht haben, ist nicht mehr viel zu sehen. Die Todesursache war ein stumpfes Schädeltrauma. Mehrere Einstiche in den Brustkorb, aber es gab weniger Blut, was Nielson darauf zurückführt, dass die Stichwunden dem Jungen post mortem beigebracht wurden. Es hat nicht gespritzt, weil das Herz nicht mehr pumpte. Meine Theorie? Auf den Sohnemann war er weniger sauer als auf seine Frau. Er war zurückhaltender, wenn Sie wissen, was ich meine.»
« Ich sehe es», sagte sie leise.
« Aber das macht ihn in meinen Augen umso mehr zum Monster. Das Schwein hat sein Kind wieder zugedeckt, nachdem er es getötet hat, dann ist er rausgeschlichen, um seine Tochter zu suchen», sagte Latarrino und kehrte auf den Flur zurück.
« Warum ist kein Blut auf der Matratze?», fragte sie, als sie ihm folgte.
« Für eine Juristin sind Sie ziemlich aufmerksam», sagte Lat mit einem schwer zu deutenden Lächeln.
« Gummilaken. Der Kleine war noch nicht stubenrein», erklärte er dann. O Gott, sie hatte das Gefühl, sie musste hier raus. Und wenn es nur ein paar Minuten waren. Sie brauchte frische Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Jeder Tatort hat seinen eigenen Geschmack. Und sie schmeckte ihn – schwer und bitter und scharf – auf ihrer Zunge. Der widerliche Geruch nach Tod und Desinfektionsmittel, nach Teppichreiniger und altem Fisch. Ein Geruch, den sie nie wieder würde vergessen können. Doch Julia wusste, schon ein Besuch im Badezimmer würde von Latarrino und seiner Truppe in der Küche sicher als Zeichen von Schwäche gewertet werden. Also schwieg sie und folgte dem Detective zu der Tür am Ende des Flurs. Die Tür mit den Zeichnungen. Als er die Hand auf die Klinke legte, merkte sie, wie sich alles in ihr dagegen sträubte herauszufinden, was dahinterlag.
« Das ist Emmas Zimmer», sagte er schließlich und stieß die Tür auf.
« Wir haben sie in der Ecke gefunden, hinter einer Kiste mit Barbiepuppen und einem HelloKitty-Stuhl. Obwohl die Spurensicherung die Barbies und den Stuhl eingepackt und mitgenommen hatte, wusste Julia sofort, in welcher Ecke Emma sich vor ihrem Vater versteckt hatte. Der rosa Teppich war voller Blut, genau wie die fliederfarbenen Tapeten. Die Spritzer sahen aus wie eine letzte unheimliche Kinderzeichnung. Die Geschichte, die Emma am Telefon verzweifelt zu erzählen versucht hatte – dort stand in grausigen Hieroglyphen das bittere Ende. Die mühevoll aufrechterhaltene Fassade der kühlen, sachlichen Staatsanwältin begann zu bröckeln. Julia rang nach Luft. Jetzt ging die Phantasie mit ihr durch, und vor ihrem geistigen Auge sah sie das kleine, ängstliche Mädchen. Die Toten in ihrem Kopf begannen wieder zu schreien, und sie spürte die Angst, die Emmas Herz ergriff, als ihr Vater sie in ihrem Versteck aufspürte. Und das bodenlose Grauen des entsetzlichen Verrats, als sie das Messer sah und genau wusste, was er damit vorhatte. Wahrscheinlich konnte sie es einfach nicht glauben. Und liebte ihn immer noch. Julia hielt sich die Ohren zu und wandte sich ab. Latarrino sah sie mitfühlend an.
« Manchmal ist der Job einfach beschissen», sagte

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