Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
er leise. Er stellte sich vor das vorhanglose Fenster und sah in den Garten. Glasäugige Stoffhunde und Bären saßen auf der Fensterbank auf einem rosakarierten Kissen.
« An so was gewöhnt man sich nie, egal, wie viele Tatorte man gesehen und wie viele Geschichten man gehört hat. Immer hofft man, dass man in miese Gassen oder Drogenhäuser geschickt wird, um den Mord an irgendeinem Dealer aufzuklären, der selber Dreck am Stecken hatte.» Er hielt inne. Draußen standen seine uniformierten Kollegen in der Sonne, lachten und unterhielten sich. Das gedämpfte Gemurmel ihrer Stimmen war durchs Fenster zu hören und füllte die Leere des gequälten Schweigens.
« So was wie hier will niemand erleben», sagte er schließlich und seufzte. Dann drehte er sich wieder zu ihr um und sah sie besorgt an.
« Das reicht. Wir gehen jetzt lieber. Sie sehen nicht gut aus.» Sie fühlte sich auch nicht gut. Tapfer kämpfte sie gegen den Brechreiz an, der ihr Frühstück wieder nach oben zu befördern drohte.
« Was ist mit dem Zimmer des Babys?», fragte sie halbherzig und wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. Die Latexhandschuhe klebten an ihrer Haut, und sie schmeckte das bittere Talkum auf den Lippen. Ihr war so schwindelig, dass sie hoffte, falls sie in Ohnmacht fiel, erst im Krankenwagen wieder zu sich zu kommen.
« Da gibt es nichts zu sehen», sagte Latarrino und führte sie behutsam hinaus auf den Flur.
« Das Kleine hat er nur erstickt.»
KAPITEL 12
    JULIA SASS auf dem Deckel der Toilette und lehnte den Kopf gegen den kühlen Marmor der Fensterbank. In den Nacken hatte sie sich ein Stück nasses Klopapier gelegt. Als sie den Kopf hob, sah sie den Reporter und seinen Kameramann auf der anderen Straßenseite, die vor ihrem Übertragungswagen die Stellung hielten. Glücklicherweise hatten sie sie hier oben noch nicht entdeckt.
« Geht es Ihnen besser?», fragte Latarrino und blickte sich betreten im Badezimmer um.
« Ja.» Julia atmete tief durch und straffte die Schultern.
« Viel besser. Danke. Wahrscheinlich habe ich mir eine Erkältung eingefangen.»
« Ach so.» Sie hoffte, dass der Detective nicht bemerkte, dass ihre Knie immer noch zitterten.
« Wollen wir uns den Rest des Hauses ansehen?», fragte sie und sah zu ihm auf.
« Sie sind immer noch ziemlich blass. Sie sollten sich noch ein paar Minuten lang ausruhen. So etwas kann jedem passieren», sagte Latarrino achselzuckend.
« Der Anblick von so was ist nicht leicht zu verdauen, selbst ohne die Leichen.» Julia schwieg. Und blieb sitzen.
« Darf ich fragen, wie Sie zu diesem Fall gekommen sind?», erkundigte sich Latarrino. Er lehnte mit den Händen in den Hosentaschen am Waschbecken.
« Ich habe Sie noch nie bei der Staatsanwaltschaft gesehen, und ich bin sicher, dass dieser Fall in der Abteilung Major Crimes verbleiben wird. Außerdem ist Bellido nicht der Typ, der Erfolg und Ruhm gern teilt. Hat man Sie von irgendeiner anderen Staatsanwaltschaft ausgeliehen, oder waren Sie bisher oben im Turm der Weisheit eingesperrt?» Im vierten Stock des Graham Building hatte die Rechtsabteilung ihren Sitz, die den Prozessanwälten bei komplizierten Rechts-und Berufungsfragen zur Seite stand. Instinktiv schaltete Julia auf Abwehr.
« Ich bin Richter Farley unterstellt. Rick Bellido und Charley Rifkin haben mich heute Morgen gebeten, bei diesem Fall zu sekundieren.» Was nicht ganz stimmte, aber Rifkin war zumindest im Raum gewesen, als Rick die Entscheidung traf.
« Ich habe in ein paar Fällen ermittelt, die bei Richter Farley gelandet sind. Der Mann ist so alt, dass jeder schon mit ihm zu tun hatte. Ist er immer noch so ein Arschloch?» Julia musste lächeln. Ihre Anspannung ließ nach.
« Das kann man wohl sagen. Und wie billiger Wein ist er mit dem Alter erst richtig ungenießbar geworden.»
« Ich dachte immer, je älter ein Wein ist, desto besser.»
« Nicht bei billigem Wein. Der wird zu Essig.» Latarrino zuckte die Schultern.
« Ich trinke sowieso lieber Bier. Ich dachte, Karyn Seminara ist die Abteilungsleiterin in Farleys Truppe.»
« Das stimmt.»
« Ach. Und wer sind Sie dann? Die A-Anwältin?» Sie räusperte sich.
« Die B-Anwältin.»
« Die B-Anwältin? Wow.» Er pfiff leise durch die Zähne.
« Dann müssen Sie Bellido vor Gericht ganz schön beeindruckt haben. Er stellt hohe Ansprüche an seine Mitarbeiter, und, wie gesagt, ich erinnere mich nicht, dass er jemals das Rampenlicht mitjemand geteilt hätte.» Latarrino musterte sie. Vielleicht war sie

Weitere Kostenlose Bücher