Vaterland
öffentliche Telefon in Berlin anzuzapfen. Na schön. Hat man unser Gespräch gestern abend belauscht? Kaum anzunehmen, wir konnten uns selbst kaum hören!« »Wa r um muß es denn die große Verschwörung sein? Vie l leicht ist man Luther einfach gefolgt.« »Warum ihn dann nicht festnehmen? Warum ihn in der Öffentlichkeit genau im Augenblick des Kontaktes erschießen?« »Er sah mich an ...« Charlie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
»Es muß ja nicht ich gewesen sein«, sagte Nightingale. »Das Leck hätte auch bei einem von euch beiden gewesen sein können.« »Wie? Wir waren die ganze Nacht zusa m men.«
»Natürlich wart ihr das.« Er spuckte die Worte aus und tastete nach dem Türgriff. »Ich muß mir von Ihnen solchen Scheiß nich t anhören. Charlie - du kommst besser mit mir zurück in die Botschaft. Jetzt. Wir fliegen dich heut nacht aus Berlin raus und können z u Gott beten, daß dich ni e mand mit dieser Sache in Ve r bindung bringt.« Er wartete. »Komm schon.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wenn nicht um deinetwillen, dann denk an deinen V a ter.«
Sie war ungläubig. »Was hat mein Vater damit zu tun?«
Nightingale hievte sich aus dem Volkswagen. »Ich hätte mich niemals zu diesem Wahnsinn überreden lassen so l len. Du bist ein e Närrin. Und was ihn angeht« - er nickte März zu -, »er ist ein toter Mann.«
Er ging vom Wagen fort, seine Schritte hallten in der leeren Parkhauslandschaft wider - zuerst laut, dann schnell immer leis er.
Dann das Klirren einer zuschlagenden Metalltür, und weg war er.
März sah Charlie im Rückspiegel an. Sie erschien sehr klein, wie sie da auf dem Rücksitz zusammengekauert saß.
Weit weg: ein anderes Geräusch. Die Schranke oben an der Rampe ging hoch. Ei n Auto kam. März fühlte, wie ihn plötzlich Pani k überkam und Platzangst. Ihre Zuflucht konnte genaus o gut zur Falle werden.
»Wir können hier nicht bleiben«, sagte er. Er ließ den Motor an.
»Wir müssen in Bewegung bleiben«
»In dem Fall will ich noch mehr Fotos machen.«
»Muß das sein?«
»Du sammelst deine Beweise, Herr Sturmbannführer, und ich sammle meine.«
Er sah sie wieder an. Sie hatte das Taschentuch wegg e legt und starrte ihn in zerbrechlichem Trotz an. Er nahm den Fuß von de r Bremse. Die Stadt zu durchqueren war fraglos gefäh r lich, aber was sollten sie sonst tun? Hinter einer verschlo s senen Türe liegen un d darauf warten, daß man sie abholte?
Er schwang den Wagen im Kreis herum und steuerte auf den Ausgang zu, als in der Düsternis hinter ihnen Schei n werfe r aufleuchteten.
DREI
Sie parkten neben der Havel und gingen ans Ufer hinab. März zeigte ihr die Stelle, an der man Bühlers Leiche gefunden ha t te.
Ihre Kamera klickte wie die von Speidel vor vier Tagen, aber es gab nur noch wenig aufzunehmen. Im Matsch wa r en noch ein paa r Fußstapfen sichtbar. Das Gras war noch etwas zusammengedrückt, wo man die Leiche aus dem Wasser g e schleift hatte. Aber schon i n ein oder zwei Tagen würden diese Zeichen verschwi n den.
Sie wandte sich vom Wasser ab und zog fröstelnd ihren Mantel um sich.
Da es zu gefährlich war, zu Bühlers Villa zu fahren, hielt er mit laufendem Motor am Ende der Chaussee an. Sie lehnte sich heraus, u m eine Aufnahme von der Straße zu machen, die auf die Insel führte. Die rot-weiße Schranke war unten. Von dem Wachtposten war nicht s zu sehen.
»Ist das alles?« fragte sie. »Dafür wird >MW< nicht viel bezahlen.
Er dachte einen Augenblick lang nach. »Vielleicht gibt es noch eine andere Stelle.«
Nr. 56-58 Am Großen Wannsee stellte sich als ein wei t läufiges Landhaus des 19. Jahrhunderts mit einer Säule n fassade heraus. E s beherbergte nicht länger das deutsche Hauptquartier von Interpol.
Zu irgendeinem Zeitpunkt in den Jahren nachdem Krieg war es zu einem Mädcheninternat geworden. März blickte hin und her, und di e blätterübersäte Straße hinauf und h i nunter, an der die Blüte in leuchtendem Rosa stand, und ging zum Tor. Es war nicht verschlossen.
Er winkte Charlie, ihm zu folgen.
»Wir sind Herr und Frau März«, sagte er, als er das Tor au f stieß.
»Wir haben eine Tochter ... «
Charlie nickte. »Ja, natürlich, Heidi. Sie ist sieben und trägt Zöpfe ... «
»Sie fühlt sich in ihrer jetzigen Schule unglücklich. Di e se hier ist uns empfohlen worden. Wir möchten uns gerne umsehen ...« Si e betraten das Gelände.
Sie sagte: »Natürlich, wenn wir gegen irgendwelche R e geln verstoßen, bitten wir
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