Vaterland
Reihe von Ame i sen. In der Mitte des Platzes lagen unterhalb der gr o ßen Springbrunnen Haufen von Absperrgittern, die man am Montag morgen aufstellen würde, ehe der Führer die Reichskanzlei verließ, um zur alljährlichen Danksagung s feier in die Große Halle zu fahren. Danach würde er in se i ne Residenz zurückkehren und auf dem Balkon erscheinen. Das Deutsche Fernsehen hatte genau gegenüber einen K a meraturm errichtet. Um dessen Basis scharten sich die Übertragungswagen für Live-Sendungen.
März hielt in einer Parklücke nahe den Touristenbussen an. Von hier aus hatte er klare Sicht über die Verkehrssp u ren zur Mitte der Halle.
»Geh die Stufen rauf«, sagte er, »..geh rein, kauf dir e i nen Führer, sieh so natürlich aus, wie du nur kannst. Wenn Nightingale erscheint, stürz auf ihn los: Ihr seid alte Freu n de, ist das nicht wunderbar, du bleibst stehen und redest ein Weilchen mit ihm. « »Und was ist mit dir?«
»Sobald ich sehe, daß du Kontakt zu Luther aufgeno m men hast, fahr ich rüber und sammel euch auf. Die Hinte r türen sind nicht abgeschlossen. Bleibt auf den unteren St u fen, nahe der Straße. Und laß dich auf keine lange Disku s sion ein - wir müssen hier so schnell wie möglich weg.«
Sie war verschwunden, ehe er ihr noch »viel Glück« wünschen konnte.
Luther hatte sich die Stelle gut ausgewählt. Es gab überall um den Platz herum gute Beobachtungspunkte. Der alte Mann konnte die Stufen überwachen, ohne sich selbst zu zeigen. Niemand würde auf drei Fremde achten, die sich da trafen. Und wenn etwas schiefgehen sollte, b o ten die Scharen von Besuchern idealen Fluchtschutz.
März zündete sich eine Zigarette an. Noch 12 Minuten. Er beobachtete, wie Charlie die lange Stufenflucht empor s tieg. Sie hielt oben an, um Atem zu schöpfen, drehte sich dann um und verschwand im Inneren.
Überall: Betriebsamkeit. Weiße Taxen und die langen grünen Mercedes des Oberkommandos der Wehrmacht umkreisten den Platz. Die Fernsehtechniker überprüften ihre Kameraeinstellungen und schrien einander Anweisu n gen zu. Budenbesitzer räumten ihre Waren ein - Kaffee, Würstchen, Ansichtskarten, Zeitungen, Speiseeis. Ein G e schwader Möwen kreiste oben in dichter Formation und flatterte neben einem der Springbrunnen zur Landung.
Eine Gruppe Jungen in Pimpfuniformen rannte auf sie los und schlug mit den Armen, und März dachte an Paule - ein Stich -, und schloß für einen Augenblick die Augen, um seine Schuld ins Dunkel einzuschließen.
Genau um 5 vor 9 kam sie aus dem Schatten und b e gann, die Treppe herabzusteigen. Ein Mann in einem re h farbenen Regenmantel ging auf sie zu. Nightingale. Mach es nicht zu offenkundig, du Idiot...
Sie blieb stehen und warf die Arme weit auseinander - eine vollkommene Darstellung von Überraschung. Sie b e gannen zu reden. 2 Minuten vor 9.
Würde Luther kommen? Wenn ja, von wo? Von der Reichskanzlei im Osten? Dem Gebäude des Oberkomma n dos im Westen? Oder direkt von Norden, aus der Mitte des Platzes?
Plötzlich erschien am Fenster neben ihm eine behan d schuhte Hand. Daran befestigt: der Körper eines Verkehr s polizisten der Orpo in Lederuniform.
März drehte das Fenster herunter. Der Bulle sagte: »Pa r ken derzeit hier verboten.« »Verstanden. In zwei M i nuten bin ich weg.«
»Nicht in zwei Minuten. Jetzt.« Der Mann war ein aus dem Berliner Zoo entsprungener Gorilla.
März versuchte, die Stufen weiter im Blick zu behalten, ein Gespräch mit dem Orpo-Mann zu führen und seinen Kripo-Ausweis aus seiner Innentasche zu ziehen.
»Sie bringen hier alles böse durcheinander, mein Freund«, zischte er. »Sie sind mitten in einer S i po-Überwachungsoperation, und ich muß Ihnen sagen, Sie passen zum Hintergrund wie ein Schwanz ins Nonnenklo s ter.«
Der Bulle schnappte den Kripo-Ausweis und hielt ihn sich dicht vor die Augen. „Mir hat niemand was von einer Operation gesagt, Herr Sturmbannführer. Was für eine Operation? Wer wird überwacht?« »Kommunisten. Fre i maurer. Studenten. Slawen« »Hat mir niemand was von gesagt. Muß ich überprüfen.«
März umklammerte das Steuerrad, um seine bebenden Hände zu beruhigen. »Wir haben Funkstille. Wenn Sie die brechen, wird sich Heydrich persönlich Ihre Eier als Ma n schettenknöpfe holen, garantiere ich Ihnen. Und jetzt: me i nen Ausweis, Zweifel umwölkte das Gesicht des O r po-Mannes. Einen Augenblick lang schien er fast bereit, März aus dem Wagen zu zerren, aber dann gab er langsam den
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