Vatermord und andere Familienvergnuegen
Mann auch nicht verlassen!«
»Warum nicht?«
»Ich liebe ihn noch!«
»Dann sind wir in einer Zwickmühle!«
»Hoffnungslos!«
»Du siehst gut aus!«
»Du siehst toll aus!«
Wir holten beide tief Luft & lachten. Noch nie war ich so aufgeregt gewesen. Sie nahm mein Gesicht in die Hände & bedeckte es mit Küssen.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte ich.
»Gehen wir in ein Hotel & schlafen miteinander.«
»Bist du sicher?«
»Es tut mir leid, dass ich dir weggelaufen bin.« »Du warst schließlich in meinen Bruder verliebt.« »Ich war jung.«
»Und wunderschön.«
»Los, lass uns das Zimmer nehmen.«
Ein kleines Hotel über einem Restaurant, wir liebten uns den ganzen Nachmittag lang. Ich will hier nicht ins Detail gehen, ich sage nur so viel, ich muss mich wirklich nicht verstecken - ich bewies beachtliche Ausdauer & draußen tobte ein Unwetter, wir hatten die Vorhänge offen gelassen & ich wusste, das alles würde uns nebelhaft in Erinnerung bleiben wie ein halb vergessener Traum & wir beide würden anschließend wieder in unser Leben zurückkehren & bei dem Gedanken zog sich mir dort im Dunkeln das Herz schmerzhaft zusammen.
»Du bist also Vater eines französischen Kindes«, sagte sie.
Seltsamerweise hatte ich das bisher nie so gesehen & obwohl ich die Franzosen liebe & mein Heimatland mir theoretisch gleichgültig ist, halten die eigenen Wurzeln einen seltsam fest im Griff. Plötzlich unangenehm, dass mein Sohn kein Australier sein würde. Es gibt kein besseres Land auf der Welt, um abzuhauen. Aus Frankreich zu fliehen, ist schön und gut, wenn deutsche Panzer heranrollen, aber warum sollte man es in Friedenszeiten tun?
Wir hielten einander wie im Taumel fest, sie war schlank & so glatt, dass ich sie hätte titschen können & sie drückte mich konvulsivisch & ich küsste sie, sodass sie nicht auf die Zeit achten konnte, während der Tag zur Nacht wurde. Ich konnte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen & ich konnte es nicht ertragen, mich selbst erneut zu hassen, deswegen sagte ich, ich hätte mich nicht absichtlich auf den Pfad der Liebe begeben, aber es sei nun mal geschehen, und daher würde ich Astrid und das Kind verlassen, damit wir zusammen sein könnten. Sie schwieg daraufhin sehr lange, ihr Gesicht im Dunkeln kaum erkennbar. Dann sagte sie leise: »Du darfst deinen Sohn und die Mutter deines Kindes nicht verlassen, ich könnte mit dieser Schuld nicht umgehen, außerdem liebe ich meinen Mann.« Ein Russe, der auch noch Iwan hieß. Diese Menschen seien unüberwindliche Hindernisse, sagte sie und fügte hinzu: »Ich liebe dich auch«, aber eher so, als sei es ihr nachträglich eingefallen, ihr »Ich liebe dich« war abgefedert durch Wenn und Aber. Keine bedingungslose Liebe. Es gab Klauseln und Schlupflöcher. Ihre Liebe war nicht bindend. Ich lächelte, als sei mein Mund durch Tradition dazu gezwungen.
Ich spürte, dass ein heftiger Stimmungsumschwung bevorstand.
Sie und Iwan wollten für eine Weile seine Familie in Russland besuchen, vielleicht sechs Monate oder länger & wir verabredeten, uns genau heute in einem Jahr wiederzusehen, nicht auf dem Eiffelturm, sondern daneben & sehen, ob sich was geändert hätte. Sie sagte noch einmal: »Ich liebe dich« & ich versuchte, sie beim Wort zu nehmen & nachdem wir uns getrennt hatten, lief ich ziellos herum & hatte das Gefühl, mein Herz habe sich für einen kurzen Moment geöffnet, aber wieder verschlossen, ehe ich Gelegenheit hatte nachzusehen, was drin war. Ich lief ein paar Stunden herum & sehnte mich verzweifelt nach einer Schulter, an der ich mich ausweinen konnte doch als ich an die Seine kam bewog mich der Anblick von Eddie meinem einzigen Freund mein Geheimnis für mich zu behalten.
»Wo hast du gesteckt? Du bist zu spät.«
»Das Boot ist doch noch gar nicht da, oder?«
»Nein«, sagte er und warf einen leeren Blick auf die stille Seine.
Eines Tages wird die Geschichte ein schlechtes Urteil über mich fällen oder ein noch schlechteres. Zu Recht, denke ich.
Nacht
Es ist jetzt Nacht & ich beobachte, wie Astrid schläft & denke an van Gogh. In jungen Jahren wurde er einmal gefeuert, daraufhin notierte er: Wenn ein Apfel reif ist, reißt ihn schon ein leiser Windhauch vom Baum.
Genauso ist die Liebe. Die Liebe war innen drin aufgestaut & hat sich rein zufällig über sie ergossen. Das sage ich weil mir jetzt klar ist dass ich sie liebe verdammt ich liebe sie aber ich mag sie nicht ich liebe das Mädchen das ich
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