Vatermord und andere Familienvergnuegen
starrte aus dem Fenster. Muss immerzu dieses Baby anschauen & sehe nicht ein Kind oder ein neugeborenes menschliches Wesen darin sondern ein altes. Eine scheußliche Idee hat sich eingenistet - dieses Baby bin ich [vorzeitig wiedergeboren] Ich verabscheue dieses Kind - ich verabscheue es weil ich es bin. Es wird mich überbieten. Es wird mich stürzen. Es wird wissen was ich weiß all meine Fehler kennen. Andere Leute haben Kinder. Ich nicht. Ich habe ein Monstrum in die Welt gesetzt: mich selbst.
»Ich glaube, er hat Hunger«, sagte ich.
»Und?«
»Und? Hol deine Titte raus.« »Er saugt mich noch ganz leer.«
»Na schön, na schön, dann hol ich ihm normale Milch.« »Nein! Das ist nicht gut für ihn!«
»Tja, scheiße, da kenn ich mich nicht aus. Ich weiß bloß, dass das Baby irgendeine Art von Nahrung braucht.«
»Lies ihm doch was vor«, sagte sie und lachte. Letzte Nacht hatte sie mich erwischt als ich ihm Passagen von Heidegger vorlas.
»Es versteht das doch gar nicht!«, hatte sie gebrüllt. »Ich auch nicht!«, hatte ich zurückgebrüllt. »Niemand versteht das!«
Eine sehr üble Situation. Wenn man uns drei nimmt, dann ist klar, für wessen Wohlergehen auf jeden Fall gesorgt werden muss, wer hier der Wichtigste ist.
Ich.
Bin heute Nacht fast gestorben!
Das Boot ist nie pünktlich also warten wir & lesen Zeitung & dann kommt es wie die vier apokalyptischen Reiter auf einer Bootstour im Mondschein. Die Dunkelheit durchbrochen von hüpfenden Lichtern des auf uns zukommenden Kahns die starren Gesichter unserer Arbeitgeber schmale Keile in der Nacht.
Heute Nacht mussten Eddie & ich eine besonders schwere Kiste heben & ich hatte sie gerade mal ein paar Millimeter vom Boden hoch da bemerkte ich mit plötzlichem Schrecken dass ich nicht in die Knie gegangen war. Um meiner Wirbelsäule nicht zu schaden setzte ich die Kiste wieder ab trat zurück & ging in die Knie obwohl es zu spät dazu war. »Was machst du?«, fragte Eddie.
»Lass uns 'ne Pause machen«, sagte ich & zog ein Buch aus der Gesäßtasche & begann zu lesen - einen Roman den ich an einem der Bücherstände am Seineufer gekauft hatte: Reise ans Ende der Nacht von Celine.
Hatte gerade mal eine Zeile gelesen, da sah ich eine dunkle Masse auf uns zukommen, eine Gruppe von Männern, die aussahen wie flotte Spaziergänger, wären da nicht die Waffen in ihren Händen gewesen.
Ein Schuss wurde in die Luft abgefeuert. Unsere Arbeitskollegen flohen in alle Richtungen das Seineufer rauf & runter. Es ist schon komisch wenn man sieht wie die steinerne Gleichgültigkeit von Leuten verschwindet wenn ihr Leben auf dem Spiel steht.
Eddie & ich verdrückten uns hinter einen Stapel Kisten. Unser einziger Fluchtweg wäre die eisige Seine gewesen oder eine goldene Himmelsleiter in die Wolken. Wir duckten uns.
»Wo hast du mich da nur reingezogen?«, fragte ich Eddie, um jemandem die Schuld zuzuschieben.
Eddie sprang vor & löste die Haltetaue, die uns am Ufer festhielten. Er stieß uns mit dem Fuß ab & kam zu mir hinter die Kisten zurückgerannt. Das Boot trieb langsam ab.
Wir lauschten auf die Schritte, die sich dem Boot näherten & wir lauschten auf die Schritte, die auf das Boot sprangen, das nun die Seine hinuntertrieb.
»Kommt da raus«, sagte eine barsche Stimme.
Vielleicht redet er nicht mit uns dachte ich optimistisch & ärgerte mich dass Eddie automatisch gehorchte. Mit erhobenen Händen stand er da als habe er das zuvor schon mal gemacht.
»Du da auch«, sagte die Stimme zu irgendwem, ich hoffte, nicht zu mir. »Komm schon, ich kann deinen Schatten sehen.«
Ich sah zu meinem Schatten hin & erkannte dass es bloß der Kopf ist der einen verrät. Ohne sah man hingehockt aus wie ein alter Kartoffelsack.
Mit erhobenen Händen stand ich auf, kam mir aber so klischeehaft vor, dass ich die Handflächen nach innen drehte.
Unser potenzieller Angreifer hatte einen Bart der mich an einen Husky aus Alaska erinnerte & war Jahrzehnte älter als ich was mich mit Empörung erfüllte. Ich hatte immer erwartet von einem jungen Punk allegemacht zu werden - wild & fehlgeleitet & wütend auf die ganze Welt.
Er richtete die Waffe auf mich. Dann schaute er hinauf zu meiner Hand & legte den Kopf leicht schräg.
»Reise«, sagte er. Ich hatte vergessen, dass ich immer noch das Buch in Händen hielt.
»Celine«, erwiderte ich flüsternd.
»Ich liebe dieses Buch.«
»Ich hab's erst halb durch.«
»Warst du schon an der Stelle, wo...«
»He, erschieß
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