Vatermord und andere Familienvergnuegen
entschlüsseln indem du die Augen schließt & wie man sich duckt wenn jemand sagt: »Deine Generation.« Ich werde dir beibringen deine Feinde nicht zu dämonisieren & wie man sich selbst unappetitlich macht wenn der Mob auftaucht um einen zu verschlingen. Ich werde dir beibringen, mit geschlossenem Mund zu schreien & wie man Glück stiehlt & dass es die einzig wahre Freude ist sich heiser zu singen & nackte Mädchen & dass man niemals in einem leeren Restaurant speist & dass man nie die Fenster zum eigenen Herzen offen lässt wenn es nach Regen aussieht & dass jeder nur einen Stumpf dort hat wo etwas Notwendiges amputiert worden ist. Ich werde dir beibringen wie man weiß was dort fehlt.
Wir werden weggehen.
Wir werden heimkehren nach Australien.
& ich werde dir beibringen noch mal genau hinzusehen solltest du jemals überrascht sein noch am Leben zu sein. In solchen Dingen kann man nie vorsichtig genug sein.
Das war's. Der letzte Eintrag.
Ich schloss das Tagebuch, mir war hundeelend. Die Geschichte meiner Geburt - ein Schotterhaufen in meinem Kopf. Jedes kaputte Steinchen das Spiegelbild einer Geschichte aus diesem Tagebuch. Also - ich war aus Einsamkeit, Wahnsinn und Selbstmord unter Schmerzen geboren worden. Das war keine große Überraschung.
Im darauffolgenden Jahr kam mein Dad am Morgen des Geburtstags meiner Mutter in mein Zimmer, als ich mich gerade anzog.
»Na, mein Freund, es ist mal wieder der 17. Mai.«
»Na und?«
»Bereit, nach dem Essen hinzufahren?«
»Ich hab was anderes vor.«
»Es ist der Geburtstag deiner Mutter.«
»Ich weiß.«
»Du kommst nicht mit zum Grab?«
»Das ist kein Grab. Es ist ein Loch. Ich trauere nicht vor Löchern.«
Dad stand da, und ich bemerkte, dass er ein Geschenk in der Hand hielt. »Ich hab ihr etwas besorgt«, sagte er. »Nett von dir.«
»Willst du es nicht auspacken?«
»Ich muss los«, sagte ich und ließ ihn mit seinem traurigen und sinnlosen Geschenk in meinem Zimmer zurück.
Statt zum Friedhof fuhr ich zum Hafen, um mir die Boote anzuschauen. Im Lauf des vergangenen Jahres hatte ich, gegen meinen Willen, über alles, was in dem grünen Notizbuch meines Vaters stand, nachdenken müssen. Nichts, was ich je gelesen habe, hat sich derart in mein Gedächtnis gebrannt. All die raffinierten Tricks des Vergessens, die mein Kopf kennt, sie sind hier wirkungslos. Ich erinnere mich an jedes einzelne erschreckende Wort.
Ich saß den ganzen Tag da und sah den Booten zu. Ich betrachtete die Felsen oder die glitschige, glänzende Ölschicht, die auf dem Wasser trieb. Ich blieb dort, bis der Mond aufging und ein Vorhang aus Sternen vor den Himmel gezogen wurde und die Lichter der Hafenbrücke erstrahlten. Die Boote nickten sanft in der Dunkelheit.
In dem Bestreben, sich selbst zu ergründen, ist meine Seele ehrgeizig. Das Tagebuch meines Vaters hatte nichts hierzu beigetragen, und die Geschichte meiner Mutter war nun ein noch größeres Geheimnis als zuvor. Ich hatte herausgefunden, dass meine Mutter höchstwahrscheinlich verrückt und von unbestimmter Herkunft gewesen war. Sonst aber hatten meine Nachforschungen nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Was meinen Vater anging, so hatte es mich nicht überrascht, absolut unerwünscht gewesen zu sein. Das einzig Konkrete, das ich über sie in Erfahrung gebracht hatte, war, dass meine Geburt der letzte Punkt auf ihrer Liste mit Vorsätzen gewesen war, und nachdem sie den abgehakt hatte, hatte sie sterben dürfen. Ich war geboren worden, um das letzte Hindernis auf ihrem Weg in den Tod beiseitezuräumen. Es wurde kalt. Ich fröstelte ein wenig.
In der Bewegung, mit der die Boote mir zunickten, erkannte ich den Rhythmus des Universums.
Ein paar Jahre später ging ich noch einmal auf den Friedhof. Das Grab meiner Mutter war verschwunden. Es lag jemand Neues da begraben, eingeklemmt zwischen Martha Blackman und dem kleinen Joshua Wolf. Ihr Name war Frances Pearlman. Sie war siebenundvierzig Jahre alt geworden, hinterließ zwei Söhne, eine Tochter und einen Ehemann.
Ich hatte das grüne Notizbuch noch mehrmals durchgelesen.
Der verstörendste Aspekt dieses unangenehmen kleinen Buches war Dads Behauptung, ich sei möglicherweise die verfrühte Wiedergeburt seiner selbst, ich sei mein Vater - was sollte das denn bedeuten? Dass der Mann tief im Innern fürchtete, meine Selbstständigkeit würde seinen Tod bedeuten?
Dies ging mir durch den Kopf, während ich vor dem Grab von Frances Pearlman stand.
Es war mit
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