Vatermord und andere Familienvergnuegen
anderes, als mich gegen Ziegelmauern vor die Wand rennen zu lassen.
Einige Wochen später besuchte ich Brett zu Hause. Er hatte mich damit gelockt, dass es Schokoladentorte geben würde. Er sagte, er wolle seine Zähne ausprobieren. Als wir das Schulgelände verließen, erklärte er mir, wie der Zahnarzt es fertiggebracht hatte, den Nerv zu erhalten, indem er die Zähne wieder in seinem Zahnfleisch verdrahtet hatte. Zum Abschluss hatte er noch eine Wurzelbehandlung über sich ergehen lassen müssen, bei der der Zahnarzt ihm jede Menge Lachgas gegeben hatte, aber nicht genug, dass es sich gelohnt hätte.
Als wir bei ihm zu Hause ankamen, musste ich enttäuscht feststellen, dass kein Kuchen da war, und wirklich geschockt war ich, als er sagte, wir beide müssten ihn erst backen. Ich hielt es für das Beste, Klartext zu reden.
»Hör mal, Brett. Du bist okay, aber ich komme mir ein bisschen komisch vor, hier mit dir einen Kuchen zu backen.«
»Keine Sorge. Wir backen nicht wirklich. Wir machen einfach den Teig und essen den. Den Ofen machen wir gar nicht an.«
Das klang annehmbar, aber am Ende unterschied es sich doch nicht sonderlich von richtigem Kuchenbacken, und als er anfing, das Mehl zu sieben, wäre ich beinahe abgehauen. Aber ich hielt durch. Wir hatten die Mischungen zusammengerührt und hauten gerade mit großen Holzlöffeln rein, als wir hörten, wie die Haustür aufging und eine Stimme sagte: »Ich bin zu Hause!«
Ich erstarrte, und das blieb so, bis sich die Küchentür einen Spalt öffnete und Mr. White seinen Kopf hereinsteckte.
»Ist das Jasper Dean?«
»Hallo, Mr. White.«
»Hallo, Dad«, sagte Brett, was mir komisch vorkam. Dumm, wie ich war, hatte ich angenommen, er würde seinen Vater zu Hause mit Mr. White ansprechen.
Mr. White machte die Tür ganz auf und kam in die Küche. »Backt ihr beide einen Kuchen?«, fragte er, guckte in die Rührschüssel und fügte hinzu: »Sagt mir Bescheid, wenn er fertig ist, vielleicht nehme ich auch ein Stück.«
»Fertig? Er ist schon fast aufgegessen«, sagte Brett und strahlte seinen Vater an.
Mr. White lachte. Es war das erste Mal, dass ich seine Zähne sah. Das Gebiss war gar nicht schlecht. Er kam her, steckte seinen Finger in die Schüssel und probierte die dicke Schokolade.
»Na, Jasper, und was macht dein Vater?«
»Er macht, was er so macht - Sie kennen das ja.«
»Er hat mich jedenfalls ganz schön vorgeführt«, sagte er und kicherte in sich hinein.
»Das freut mich«, sagte ich.
»Die Welt braucht leidenschaftliche Menschen«, sagte Mr. White lächelnd.
»Kann sein«, sagte ich, und als Mr. White nach oben ging, dachte ich an Dads viele katatonische Phasen, in denen es schon leidenschaftlich war, wenn er nur die Klospülung betätigte.
Bretts Zimmer war mehr oder weniger das typische Jugendzimmer, nur war es so aufgeräumt, dass ich fürchtete, mein Atmen könnte ein Chaos anrichten. Auf dem Schreibtisch standen ein paar gerahmte Fotografien, unter anderem ein ovales Foto von Brett und Mr. White, die sich die Arme um die Schultern gelegt hatten - sie sahen aus wie Schauspieler in einem gefühlsduseligen Vater-und-Sohn-Fernsehfilm. Es sah kein bisschen echt aus. An der Wand über Bretts Bett hing ein riesiges Kruzifix.
»Wofür ist das denn?«, fragte ich entsetzt.
»Es hat meiner Mutter gehört.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Magenkrebs.«
»Aua.«
Brett ging mit langsamen, zögernden Schritten zum Fenster, als würde er sich im Dunkeln auf unbekanntem Terrain bewegen. »Du hast auch keine Mutter, oder? Was ist aus deiner geworden?« »Die arabische Mafia.«
»Okay, du brauchst es mir nicht zu erzählen.«
Ich sah mir den Jesus, der dort oben hing, genauer an, sein Gesicht mit der Duldermiene sahen schräg nach unten. Es sah aus, als würde er die sentimentalen Fotografien von Brett und seinem Vater betrachten. Seine langmütigen Augen schienen mit einer gewissen Traurigkeit auf ihnen zu ruhen. Vielleicht musste er dabei an seinen eigenen Vater denken oder daran, dass man manchmal wiederbelebt wird, wenn man es am wenigsten erwartet.
»Ihr seid also religiös?«, fragte ich.
»Wir sind katholisch. Und ihr?«
»Atheisten.«
»Gehst du gerne zur Schule?«, fragte Brett auf einmal. »Was denkst du denn?«
»Es ist ja nicht für ewig. Das denk ich dauernd. Es ist nicht für ewig.«
»Sei bloß froh, dass du nicht fett bist. Wenn du dann draußen bist in der wirklichen Welt, ist alles in Butter. Niemand hasst einen
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