Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
Vom Netzwerk:
wollen, dass man sich einfügt, dass man denselben Regeln folgt wie sie und dass man keine Alleingänge macht oder sich irgendwelche speziellen Privilegien rausnimmt.
    »Ich versuche, eine Geburtstagskarte zu schreiben«, sagte sie. »Lola hat Geburtstag. Du kennst Lola doch noch aus der Schule?«
    »Natürlich, Lola«, sagte ich, ohne zu wissen, wer Lola war. »Möchtest du auch einen Gruß an sie schreiben?«, fragte sie. »Sicher«, log ich.
    Unmittelbar bevor ich den Stift aufs Blatt setzte, sagte das Inferno: »Schreib was Nettes.« Ich nickte und schrieb: »Liebe Lola, ich hoffe, du lebst ewig.« Ich gab ihr die Karte zurück. Das Inferno nahm sie kritisch in Augenschein, sagte aber nichts. Falls sie wusste, dass es ein Fluch und kein Glückwunsch war, ließ sie es sich nicht anmerken.
    Dann sagte das Inferno: »Oh, hab ich beinahe vergessen. Brian will mir dir reden.«
    »Wer?«
    »Sein Name ist Brian.«
    »Das mag ja sein, aber ich weiß nicht, von wem du redest.«
    »Er ist so was wie mein Exfreund.«
    Ich setzte mich auf und sah sie an: »So was wie?«
    »Wir sind kurz miteinander gegangen.«
    »Und du redest noch mit ihm?«
    »Nein, ich meine, neulich bin ich ihm über den Weg gelaufen«, sagte sie.
    »Über den Weg gelaufen«, wiederholte ich. Das hatte für mich einen unguten Beiklang. Leute laufen einander nicht einfach so über den Weg.
    »Tja, und worüber will er mit mir reden?«
    »Er glaubt, du könntest ihm möglicherweise helfen, seinen Job zurückzubekommen.«
    »Seinen Job? Ich? Wie?«
    »Ich weiß nicht, Jasper. Warum triffst du dich nicht mit ihm und findest es raus?« »Nein, danke.«
    Sie sah verärgert aus, rollte sich auf die Seite und drehte mir den Rücken zu. In den nächsten zehn Minuten starrte ich ihren nackten Rücken an und ihr rotes Haar, das über ihre Schulterblätter fiel, die vorsprangen wie die Finnen eines Surfbretts.
    »Ich denk drüber nach«, sagte ich. »Überanstreng dich nicht«, gab sie zurück.
     
    Unsere Flitterwochen bestanden hauptsächlich darin, dass wir stundenlang das Gesicht des anderen anstarrten. Manchmal taten wir den ganzen Tag lang nichts anderes. Manchmal sah ich, wie ihr Gesicht verschwamm und wieder deutlich wurde. Manchmal sah es wie ein Alien-Gesicht aus. Manchmal sah es überhaupt nicht wie ein Gesicht aus, sondern wie ein bizarres Kompendium von Gesichtszügen vor einem verschwommenen weißen Hintergrund. Ich weiß noch, dass ich damals dachte, dass wir mit solcher Kraft aneinanderklebten, dass wir unmöglich zu trennen waren, ohne dass einer von uns eine Hand oder eine Lippe verlor.
    Es war natürlich nicht alles perfekt. Sie hasste es, dass ich es mir noch nicht abgewöhnt hatte, im Geiste Listen mit den Namen von berühmten Schauspielerinnen zu machen, mit denen ich schlafen wollte, sobald ich es zu was gebracht hatte.
    Ich konnte es nicht ausstehen, dass sie so aufgeschlossen war, zu aufgeschlossen war, und halb an eine kreationistische Theorie glaubte, derzufolge Gott plötzlich aus der Kiste gehüpft kommt.
    Sie hasste es, dass ich Silikonbrüste nicht hasste.
    Ich hasste es, wie sie mich mit geschlossenen Lippen küsste, wenn sie wütend oder verstimmt war.
    Sie hasste es, wenn ich alles versuchte, um sie aufzukriegen - mit Lippen, Zunge, Daumen und Zeigefinger.
    Immer wenn ich jemanden hatte sagen hören: »Beziehungen sind harte Arbeit«, hatte ich nur höhnisch gelacht, weil ich fand, Beziehungen sollten wild wuchern wie ungepflegte Gärten, aber jetzt wusste ich, dass sie Arbeit waren, und zwar unbezahlte - man hat sich freiwillig dafür gemeldet.
     
    An einem Morgen, unsere Beziehung war gerade ein paar Wochen alt, kam Dad in meine Hütte gerannt, als suche er Schutz vor einem Sturm.
    »Hab dich lange nicht gesehen. Liebe muss ja zeitraubend sein, was?« »Ist sie.«
    Er sah aus, als sei er zum Bersten voll mit schlechten Nachrichten und könnte es nicht erwarten, sie loszuwerden. »Was?«, fragte ich.
    »Nichts. Genieß es, solange es dauert.« »Das werde ich.«
    Er stand da wie ein stehendes Gewässer und sagte: »Jasper, wir haben nie über Sex gesprochen.« »Und ich danke Gott dafür.« »Ich will dir nur eines sagen.« »Bring es hinter dich.«
    »Auch wenn die Benutzung eines Kondoms ebenso die Sinne beleidigt, als würde man sich einen Windsack über die Zunge ziehen, ehe man Schokolade isst - es geht nicht ohne.«
    »Ohne Windsack?«
    »Ohne Kondom.«
    »Okay.«
    »Um Vaterschaftsklagen vorzubeugen.«
    »Okay«, sagte ich

Weitere Kostenlose Bücher