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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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jungen Mann hin, und wir sprachen beide gleichzeitig.
    »Wissen Sie, wo ich eine Waffe kaufen kann?«
    »Wollen Sie eine Sexshow sehen?«
    »O ja, gerne.«
    Er scheuchte mich die Straße entlang und brachte mich nach Patpong. Viele Gruppen von Westlern waren auf dem Weg in die Stripclubs, und ich dachte sofort an Freud und seine Theorie, dass sich die Zivilisation in einem immer stärker werdenden Gegensatz zu den Bedürfnissen der Menschen entwickelt. Freud war offenbar nie in Patpong gewesen. Hier kümmerte man sich aufs Gewissenhafteste um die Bedürfnisse des Mannes, um alle Bedürfnisse, selbst die, die ihn krank machen.
    Ich ging in die erstbeste Bar und bestellte ein Bier. Eine junge Frau kam und setzte sich auf meinen Schoß. Sie konnte nicht älter als sechzehn sein. Sie schob ihre Hand zwischen meine Beine, und ich fragte sie: »Weißt du, wo ich eine Waffe kaufen kann?« Das war ein Fehler. Sie sprang von meinem Schoß herunter, als hätte ich sie gebissen. Ich sah, wie sie aufgeregt auf ein paar gefährlich aussehende Typen hinter der Theke einsprach. Ich nahm Reißaus. Ich dachte, ich wäre in eine dieser irrealen Situationen geraten, in der man sich richtig wehtun kann. Nachdem ich einigen Blocks entlanggerannt war, hielt ich inne. Tatsächlich waren diese Thais nicht krimineller als die Leute, die man in jeder Fish-and-Chips-Bude in Sydney findet, und eine Waffe von ihnen zu kaufen, war schlicht unmöglich. Dann würde ich eben improvisieren müssen, wenn ich Tim Lung gegenüberstand.
    Als ich am Morgen in den Frühstücksraum kam, sah ich Dad und Caroline an, dass auch sie nicht geschlafen hatten. Zerknitterte, schlaflose Gesichter. Verhärmt vor Sorgen. Während des üppigen, ganz unexotischen Frühstücks aus Speck, Eiern und zähen Croissants redeten wir belangloses, albernes Zeug, um die düstere Stimmung zu überspielen. Was immer uns auch erwarten mochte, wir wollten ihm mit vollem Magen entgegentreten.
    Eddie kam ohne seine übliche huldvolle Miene herein.
    »Seid ihr fertig?«
    »Wo ist deine Frau?«, fragte Dad.
    »Halt die Fresse, Martin. Ich hab die Schnauze voll von dir. Ich hab die Schnauze wirklich voll.«
    Das brachte uns alle zum Schweigen.
     

IV
    Um zu Tim Lung zu gelangen, mussten wir mit einem Long-Tail-Boot einen verdreckten, übel riechenden Kanal befahren. Während wir an hölzernen Khlongbooten vorbeirauschten, die mit Obst und Gemüse in allen Farbtönen beladen waren, schützte ich mein Gesicht, um keine Spritzer des schlammigen Wassers abzubekommen. Mein erster Eindruck von Thailand war zwar positiv, doch ich wusste, dass mein Immunsystem den hiesigen Bakterien nicht gewachsen war. Nachdem wir an dieser chaotischen Flotte von Wasserfahrzeugen vorbei waren, hatten wir den Kanal für uns und gaben Gas. Rechts und links standen an staubigen Straßen windschiefe Häuser, die aussahen, als wären sie entweder halb fertig oder halb verfallen. Wir kamen an Frauen mit breitkrempigen Strohhüten vorbei, die in der braunen Brühe ihre Wäsche wuschen, offenbar keinen Gedanken daran verschwanden, dass sich Hirnhautentzündung in ihrer Unterwäsche einnisten könnte. Dann sahen wir leere, staubige Straßen und riesige Bäume mit ausladenden Kronen. Hier standen die Häuser, prächtige und protzige Villen, weit auseinander. Ich spürte, dass wir bald da waren. Ich versuchte, in Eddies Miene zu lesen. Sie war unleserlich. Dad warf mir einen Blick zu, der sagte: »Wir sind entkommen, aber wo geraten wir nun hinein?«
    Das Boot hielt an. Wir stiegen aus und kletterten einen kleinen Damm hinauf zu einem großen, eisernen Tor. Noch ehe Eddie auf die Klingel drücken konnte, bellte eine scharfe Stimme etwas auf Thai aus einer technisch aufwändigen Gegensprechanlage. Eddie antwortete, wobei er mir einen Blick zuwarf, der mir das Gefühl vermittelte, jetzt umzukehren, würde Selbstmord bedeuten, und weiterzugehen vermutlich ebenso. Ich hatte am ganzen Körper eine Gänsehaut. Caroline nahm meine Hand. Das Tor schwang auf, wir schritten hindurch. Dad sagte etwas über den Zustand seiner Verdauung, was ich nicht ganz mitbekam.
    Tim Lungs Haus schrie geradezu: Drogenkartell! Es war riesig. Vor den hohen, weiß getünchten Mauern standen mit farbigen Einlagen verzierte Säulen, von den Dächern glänzten orangefarbene und grüne Ziegel, und ein gewaltiger ruhender Buddha machte es sich in einem dichten Bambushain gemütlich. Der Eindruck, dass wir hier vor einer Räuberhöhle antanzten,

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