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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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erwartete.
    Das konnte ich nicht. Ein Schatten fiel auf mich. Ich blickte auf und sah Terrys nackten Oberkörper. Terry ohne Hemd zu sehen war immer wieder beeindruckend. Ich fragte mich dann stets, ob er nicht vielleicht den klassischen Weg zur Erleuchtung umgekehrt gegangen war und seine buddhahafte Gelassenheit über das Äußere erlangt hatte.
    »Bist du bereit?«, fragte Terry.
    »Wofür?«
    »Wir versuchen mal wieder, deinen Vater auf Touren zu bringen.«
    Ich schwang meine Beine aus der Hängematte und folgte Terry in Dads Zimmer. Dad lag bäuchlings auf dem Bett. Er nahm unsere Gegenwart in keiner Weise zur Kenntnis.
    »Hör mal, Marty, hast du nicht das Gefühl, dass du wie ein Schwergewicht bist, das nicht vom Boden hochkommt?«
    »Das musst du gerade sagen.«
    »Möchtest du nicht viel lieber ein Blatt im Wind sein oder ein Regentropfen oder ein Wolkenfetzen?« »Kann sein, kann auch nicht sein.«
    »Du brauchst eine Wiedergeburt. Du musst sterben und wiedergeboren werden.«
    »Für eine Wiedergeburt bin ich zu alt. Und für wen hältst du dich überhaupt? Du bist ein hundertfacher Mörder, ein Drogendealer, ein Waffenschmuggler, aber du hältst dich für einen Seher und Guru! Wieso wird dir nicht schlecht vor lauter Heuchelei?«
    »Gute Frage. Es ist ein liebenswerter Widerspruch, mehr nicht.«
    Mein Gott, diese unerquicklichen Diskussionen nahmen einfach kein Ende.
    Terry zerrte Dad aus dem Bett und schleppte uns zu einem Schießstand, auf dem man mit Pumpguns feuern konnte. Weder Dad noch ich hatten mit Waffen viel am Hut, und der Rückstoß haute Dad um und warf ihn rücklings zu Boden. Terry beugte sich über ihn, und Dad schaute mit offenem Mund und am ganzen Leibe zitternd zu ihm auf.
    »Erklär mir mal eins, Marty - was hat dir dieses ewige Meditieren über den Tod eingebracht?«
    »Wenn ich das wüsste.«
    »Jasper meint, du seist ein Philosoph, der sich in die Ecke philosophiert hat.« »Sagt er das?«
    »Erzähl mir von der Ecke. Wie sieht's da aus? Wie bist du da hineingeraten? Und was, glaubst du, könnte dich da wieder rausholen?«
    »Hilf mir auf«, sagte Dad. Als er wieder auf den Beinen stand, sagte er: »Hier die Kurzfassung: Die Menschen leugnen die eigene Sterblichkeit in einem solchen Maß, dass sie wahre Sinngebungsmaschinen geworden sind. Wenn sich also etwas Übernatürliches oder Religiöses in der Natur ereignet, kann ich mir nie sicher sein, ob ich nicht meinen eigenen Bezug dazu aus reiner Verzweiflung herbeikonstruiere, damit ich an meine Einzigartigkeit glauben kann und meinen Wunsch nach Dauer.«
    »Vielleicht ist das so, weil du noch nie eine mystische Erfahrung gemacht hast.«
    »Hat er aber«, mischte ich mich ein. »Einmal hat er alles, was im Universum existiert, gleichzeitig gesehen. Aber er hat das nie weiterverfolgt.«
    »Verstehst du nun, was für eine Ecke das ist? Wenn die Menschen unentwegt Bedeutung konstruieren, um den Gedanken an den Tod zu verdrängen, wie kann ich dann sicher sein, dass ich nicht auch diese Erfahrung selbst konstruiert habe? Ich kann es nicht mit letzter Sicherheit wissen, daher muss ich davon ausgehen, dass ich es getan habe.«
    »Aber dann hast du dein ganzes Leben lang deine Seele nie wirklich ernst genommen.«
    »Komm mir nicht mit der Seele. Ich glaube nicht an die Seele, und Jasper genauso wenig.«
    Terry guckte mich an. Ich zuckte die Achseln. In Wahrheit war ich mir über ihre Existenz einfach nicht im Klaren. Dad hatte recht, die unsterbliche Seele zog bei mir nicht. Ihre Haltbarkeit schien mir deutlich zu hoch angesetzt. Ich glaubte jedoch an die sterbliche Seele, die vom Augenblick der Geburt an ständigem Verschleiß ausgesetzt ist und sterben wird, wenn ich sterbe. Wie unzulänglich sie auch sein mochte, ich fand eine sterbliche Seele absolut grandios, egal, was andere davon hielten.
    »Hör zu, Marty. Lass es einfach - der Verstand, der alle Geheimnisse des Universums durchdringen möchte. Es ist vorbei. Du hast verloren.«
    »Nein, hör du zu, Terry«, sagte Dad erschöpft. »Wenn ich tatsächlich falsch gelebt habe, wenn ich grobe Fehler gemacht habe und auch noch welche vor mir habe, denke ich doch, es wäre weit weniger tragisch, im Status quo meiner Unzulänglichkeit zu verharren, als mich kurz vor zwölf noch ändern zu wollen. Ich will nicht einer von diesen Sterbenden sein, die fünf Sekunden vor ihrem Ende begreifen, wie man richtig lebt. Meinetwegen, dann bin ich eben lächerlich, aber ich möchte nicht, dass mein

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