Vatermord und andere Familienvergnuegen
?«
»Wovon redest du?«
»Du weißt, wovon ich rede!«
Ich kann euch sagen, so viel Subtext habt ihr im Leben nicht gehört!
Caroline und Dad teilten sich das Zimmer neben meinem. Oft hörte ich, wie um 3 Uhr morgens die Schiebetüren aufglitten. Dann setzte ich mich im Bett auf und beobachtete, wie Caroline über den Rasen zum ruhenden Buddha huschte. Im Mondlicht konnte ich alles deutlich erkennen. Manchmal legte sie ihren Kopf auf Buddhas Schulter, und wenn die Nacht ruhig war und die Vögel noch schliefen, wehte ihre leise Stimme bis in mein Zimmer. »Er ist fett und abstoßend. Und ein Krimineller. Er ist ein fetter, abstoßender Krimineller. Und er ist tot. Er ist fett und tot und mag Huren.« Einmal hörte ich sie sagen: »Und was bin ich schon? Sieh dir meinen Körper an. Ich bin auch kein Hauptgewinn.«
Der peinlichste Moment kam immer, wenn es an der Zeit war, zu Bett zu gehen. Wir lagen aufgebläht vom Abendessen und betrunken auf den Kissen herum, und plötzlich wurden die Gespräche zu Totgeburten von Dialogen.
Dad: »Ich bin müde.«
Caroline: »Dann geh ins Bett.«
Worauf Dad dann Terry auf eine leicht drohende Art anstarrte.
Dad: »Ach, ich bleib noch ein bisschen.« Caroline: »Schön, ich geh jedenfalls jetzt schlafen.« Terry: »Ich auch.« Dad: »Ich auch.«
Dad tat, was er nur konnte, damit Caroline und Terry nie miteinander allein waren. Es war zwar peinlich, aber ich hegte den Verdacht, dass ihn die Vorstellung, von seinem Bruder betrogen zu werden, insgeheim ergötzte. Vom eigenem Bruder betrogen zu werden, das wäre ein billiges Melodram von biblischem Format und geradezu ein Geschenk für einen sterbenden Mann - ein Geschenk, das beweisen würde, dass das Leben nicht vergessen hatte, ihn in seinen schäbigen Komödien noch mitspielen zu lassen.
Dann sah ich eines Nachts, wie Caroline sich aus Terrys Zimmer schlich, die Haare wirr, das Hemd halb aufgeknöpft. Bei meinem Anblick erstarrte sie zur Salzsäule. Ich warf ihr einen müden Blick zu - was hätte ich schon tun sollen, ihr zuzwinkern? Aber ich schaffte es nicht, ihr diesen Betrug übel zu nehmen. Die Situation war für uns alle unerträglich. Ich hätte mir nur gewünscht, sie hätte damit noch ein bisschen gewartet; es würde nicht mehr lange dauern, bis Dad aus dem Weg war. Krebs nährt sich von gebrochenen Herzen; Krebs ist wie ein Aasgeier, der nur darauf wartet, dass man die Hoffnung auf menschliche Wärme aufgibt. Dad sprach häufig davon, was für eine Schande sein ungelebtes Leben sei, aber es war die Schmach eines ungeliebten Lebens, die ihn umbrachte.
Ich war nicht sicher, ob Terry sich seiner Rolle in diesem Dreiecksverhältnis bewusst war, und ich glaube nicht, dass er wusste, dass ihm gelungen war, wovon Dad immer nur geträumt hatte, und dass er dadurch Dad unwiderruflich sich selbst entfremdet hatte. Sonst hätte er Dad vielleicht auch nicht so schlimm gepiesackt.
Ein paar Monate nach unserer Ankunft setzte sich Terry in den Kopf, Dads letzte Tage zu einer Zeit grenzenlosen Staunens und Entzückens zu machen, und er rekrutierte mich als seinen Handlanger. Er schleppte uns zum gemeinsamen Nacktbaden im Fluss, dann mussten wir uns Wolkenformationen angucken, bei Hundekämpfen wetten und uns bei einer Sauforgie in Wollust und Alkohol suhlen. Dad schäumte vor Wut über all diese Störungen, während er versuchte friedlich zu sterben, und durchbohrte Terry mit giftigen, hasserfüllten Blicken. Ich hingegen war froh, etwas zu tun zu haben. Vielleicht hing es mit der plötzlichen Entlastung zusammen, dass sich nun jemand anders um Dad Gedanken machte, jedenfalls war ich schon voller Energie, seit ich in Thailand angekommen war. Ich hatte auch das Gefühl, stärker zu sein und es mit jeder wilden Bestie aufnehmen zu können. Ich stand frühmorgens auf, lief tagsüber durch ganz Bangkok, ging abends spät zu Bett und kam mit wenig Schlaf blendend aus. Mir taten all die Aktivitäten gut, von denen Terry hoffte, sie würden Dad guttun.
Eines obszön heißen Nachmittags, nachdem ich schon Stunden auf den Beinen gewesen war, legte ich mich in die Hängematte, starrte auf den gigantischen Buddha und stellte Überlegungen darüber an, ob meine bisherigen Erfahrungen im Leben möglicherweise nahtlos ineinandergriffen, ohne dass ich mir dessen bewusst geworden war. Ich dachte, wenn es mir gelänge, das logische Gefüge der Vergangenheit zu entschlüsseln, könnte ich daraus schließen, was mich als Nächstes
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