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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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von innen heraus aufgefressen. Er magerte grausig ab bis auf die Knochen. Er wurde ganz bleich, und es sah aus, als fließe Methangas durch seine Adern. Schließlich schaute er gar nicht mehr in den Spiegel. Er hörte auf, sich zu rasieren, und lief wie ein Schiffbrüchiger in Terrys Haus herum, so dünn, dass er in seiner Kleidung zu ertrinken schien. Dann, genauso plötzlich, begradigte sich seine Flugbahn Richtung Tod. Es ging ihm nicht besser, aber es wurde auch nicht schlimmer. Mir war klar, dass er auf irgendetwas wartete, dass er etwas tun wollte und nicht bereit war zu sterben, bevor er es nicht getan hatte. Über die Macht der Sturheit ließe sich einiges sagen. Oft halten sich Menschen durch reine Willenskraft am Leben; Lahme gehen, und tote Männer bekommen Erektionen.
    Anfangs drängten Terry und Caroline ihn, einen Arzt aufzusuchen und eine neue Chemotherapie zu beginnen, doch Dad weigerte sich. Ich bezweifelte, dass es irgendetwas bringen würde, wenn ich versuchte, ihn zu etwas zu überreden, aber ich musste immerzu an Anouk und ihren fanatischen Glauben an die Kraft der Meditation denken. Ich versuchte, ihn von der Möglichkeit zu überzeugen, dass er selbst durch extreme Willensanstrengung den Krebs besiegen könnte. Um mir den Gefallen zu tun, versuchte er es eines Nachmittags. Wir saßen gemeinsam zu Füßen der Buddhastatue. Ich erklärte ihm, dass eine absolut übermenschliche Anstrengung des menschlichen Willens vonnöten sei, aber Dad war noch nie in der Lage gewesen, sich die Skepsis vom Leib zu halten. Plötzlich, während der Meditation, schlug er ein Augenlid auf und sagte: »Weißt du, was Mencken über den menschlichen Körper gesagt hat? Er sagte: >Die ganze Fehlbarkeit des Schöpfers findet ihren Gipfelpunkt im Menschen. Als ein mechanisches Werkstück ist er das schlechteste von allen; an ihm gemessen ist selbst ein Lachs oder ein Staphylokokkus ein vernünftiger, hochwirksamer Apparat. Die vergleichende Zoologie kennt keine schlechteren Nieren, keine schlechtere Lunge, kein schlechteres Herz. Das menschliche Auge, bedenkt man, was von ihm verlangt wird, ist seinen Aufgaben weniger gewachsen als das Auge des Regenwurms; böte ein Hersteller von optischen Instrumenten seinen Kunden ein derart armseliges Gerät an, sie würden ihn zum Teufel jagen.<«
    »Das klingt einleuchtend«, sagte ich.
    »Tja - und wie kommst du dann auf die Idee, dass Meditation die angeborene Gebrechlichkeit meines Körpers überwinden könnte?«
    »Ich weiß auch nicht. Es war nur so eine Idee.«
    »Eine nutzlose. Du erinnerst dich, dass Heraklit gesagt hat, der Charakter eines Menschen ist sein Schicksal? Das stimmt nicht. Sein Körper ist sein Schicksal.«
    Dad stützte sich am Zeh des Buddhas ab, kam mühselig auf die Beine und wankte zurück zum Haus. Caroline stand in der Tür und beobachtete uns.
    Ich hörte, wie sie fragte: »Wie ist es gelaufen?«
    »Es war großartig. Ich bin geheilt. Ich werde noch mehrere Milliarden Jahre weiterleben. Ich weiß auch nicht, wieso ich das nicht schon früher ausprobiert habe.«
    Caroline nickte müde und begleitete Dad hinein.
    Arme Caroline. Zusätzlich zu ihrer Rolle als Hauptpflegekraft hatte sie auch noch ihre eigenen Probleme. Ihre emotionalen Ausbrüche und Weinkrämpfe überraschten sogar sie selbst. Die Ereignisse in Australien hatten sie schwer erschüttert. Sie hatte sich selbst immer für eine dickfellige, sorglose, selbstsichere Frau gehalten, die das Leben liebte und nichts wirklich ernst nahm, am allerwenigsten die öffentliche Meinung. Aber der Hass, der ihr entgegenschlug, hatte sie gänzlich und auf Dauer aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie war vorsichtig und introvertiert geworden; sie spürte den Unterschied und mochte sich selbst nicht mehr. Und zu allem Übel hatte die Auferstehung von Terry, ihrer Jugendliebe, auch noch ihre Ehe mit Dad infrage gestellt. Da ich nicht gut schlief, wurde ich oft Zeuge ihrer mitternächtlichen Seifenopern. Caroline lief mit verweinten Augen in die Küche, um sich einen Tee zu machen, und Dad schlich über den Flur hinter ihr her und spähte heimlich um die Ecke. Jedes Mal verriet ihn sein rasselnder Atem.
    »Was machst du denn da?«, fragte sie ihn dann.
    »Nichts. Mir ein bisschen die Beine vertreten.« »Spionierst du mir nach?«
    »Ich spioniere nicht. Ich hab dich vermisst, mehr nicht. Ist das nicht romantisch?«
    »Was denkst du denn, was ich vorhabe? Glaubst du, ich warte, bist du eingeschlafen bist, um dann...

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