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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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eine anstrengende, beinahe vertikale Kletterpartie auf einen von hohen Bäumen gesäumten Bergrücken. Nachdem ich das Gefängnis verlassen hatte, war ich zu dem Schluss gekommen, dass Harry recht hatte: Vermutlich war ich ein Philosoph, zumindest aber ein ewiger Außenseiter, und das Leben würde für mich nicht einfacher werden. Ich hatte mich vom Mainstream entfernt, mein Beiboot vom Mutterschiff abgekoppelt. Nun trudelte ich durchs All, das sich endlos vor mir erstreckte.
    Die Stimmung des sich aufhellenden Morgens wollte nicht zu einem Selbstmord passen, aber vielleicht war das Absicht. Ich sah mich ein letztes Mal um. In der dunstigen Ferne erblickte ich den zerklüfteten Hügelkamm und über mir den Himmel, der wie ein hohes, unerreichbares Glasfenster aussah. Eine leichte Brise trug den Duft von Blumen heran, und ich dachte: Blumen sind wirklich schön, aber nicht schön genug, um die erdrückende Masse an Blumengemälden und -gedichten zu rechtfertigen, während es so gut wie keine Gemälde oder Gedichte über Kinder gibt, die sich von Klippen stürzen.
    Ich trat einen Schritt näher an den Abgrund heran. Hoch in den Bäumen konnte ich Vögel hören. Sie zwitscherten nicht, sie flatterten nur herum und raschelten. Weiter unten stöberten braune Käfer im Boden, ohne an den Tod zu denken. Ich hatte nicht den Eindruck, mir würde viel entgehen. Schon die reine Existenz ist erniedrigend. Würde uns einer dabei zusehen, wie wir aufbauen, verfallen, schaffen, degenerieren, glauben und dabei dahinwelken, er käme aus dem Lachen nicht heraus. Warum also nicht? Was weiß ich über Selbstmord? Nur dass es ein melodramatischer Akt ist und das Eingeständnis, dass man die Hitze nicht verträgt und darum schleunigst aus der Küche rausmuss. Und warum sollte sich ein Vierzehnjähriger nicht umbringen? Sechzehnjährige bringen sich schließlich alle naselang um. Vielleicht bin ich einfach meiner Zeit voraus. Warum sollte ich dem Ganzen nicht ein Ende bereiten?
    Ich stellte mich ganz dicht an den Abgrund. Wenn Caroline mich später sähe, würde sie jammern: »Diesen zu Brei zerquetschten menschlichen Trümmerhaufen habe ich geliebt!« Als ich den fürchterlich schroffen Steilhang hinunterschaute, drehte sich mir der Magen um, meine Glieder wurden starr, und mir kam folgender beängstigender Gedanke: Das Leben ist eine einsame Erfahrung. Wie eng vertraut mit einem anderen Menschen du auch bist, es wird immer einen Teil von dir und deiner Existenz geben, der nicht kommunizierbar ist; du stirbst allein, es ist einzig und allein deine Erfahrung, du magst ein Dutzend Zuschauer haben, die dich lieben, doch deine Isolation wird von der Geburt bis zum Tod nie vollständig durchbrochen. Aber was, wenn nach dem Tod die gleiche Einsamkeit wartet, dann allerdings für die Ewigkeit? Eine unkommunizierbare, grausame, nie endende Einsamkeit. Wir wissen nicht, wie der Tod ist. Vielleicht ist er so.
    Ich trat vom Abgrund zurück, rannte in die entgegengesetzte Richtung, bis ich schließlich über einen großen Stein stolperte.
     
    Ich ging noch einmal zu Harry West, um ihm die Meinung zu sagen. Er wirkte nicht sonderlich überrascht.
    »Du hast es also nicht getan, was? Du denkst, du wartest lieber, bis du ganz unten bist, bevor du dir das Leben nimmst? Na, dann kann ich dir Zeit sparen. Es gibt kein ganz unten. Verzweiflung ist bodenlos. Du wirst nie dort ankommen, und deshalb weiß ich, dass du dich nie umbringen wirst. Du nicht. Nur solche, die an trivialen Dingen hängen, bringen sich um, aber nicht du. Sieh mal, einem Menschen, dem das Leben, die Familie und all das über alles geht, legt seinen Kopf viel eher in die Schlinge, aber die, die von ihren Nächsten und Besitztümern keine allzu hohe Meinung haben, die nur zu gut um die Sinnlosigkeit all dessen wissen, die können es nicht. Weißt du, was Ironie ist? Du hast es gerade gehört. Wenn du an die Unsterblichkeit glaubst, kannst du dich umbringen, aber wenn du meinst, das Leben sei nur ein kurzes Flackern zwischen zwei ungeheuren Leerstellen, zu dem die Menschheit unfairerweise verdammt ist, dann wagst du es nicht. Marty, du befindest dich in einer unhaltbaren Situation. Dir fehlen die Mittel, ein erfülltes Leben zu führen, doch du kannst dich nicht dazu überwinden zu sterben. Also, was machst du nun?« »Ich weiß es nicht! Ich bin vierzehn!«
    »Du und ich, wir sitzen im selben Boot. In diesem Gefängnis hier kann ein Mann nicht vernünftig leben. Er kann keine Mädchen

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