Vatermord und andere Familienvergnuegen
erklärte mir Harry einmal, »das hat schon manchem Mann die Haut gerettet. Die Polizei will ständig unter Beweis stellen, dass sie Fortschritte macht: >O ja, er ist da und da gesehen worden, wir haben diese Spur oder jene.< In Kombination mit dem unstillbaren Hunger der Leute nach Nachrichten, die nichts mit ihnen zu tun haben, ist das für einen gesuchten Verbrecher optimal. Du hältst mich für paranoid? Dann schau dir mal die breite Masse an. Die Leute verlangen aktuelle Fahndungsmeldungen, weil sie glauben, dass die Behörden ihnen etwas verschweigen, ihnen Informationen über Verbrecher vorenthalten, die längst schon in ihren Hinterhöfen lauern, Knarre und Schwanz in der Hand und bereit, loszulegen.«
Er beschuldigte die anderen in der Verbrechenskooperative nackter Gewinnsucht. Er behauptete, die Habgier an ihnen allen zu riechen; er sagte, der Geruch hafte an ihnen wie Schweißperlen. »Tausend Dollars bar auf die Hand reichen dir nicht?«, tobte er. Harry sagte voraus, dass ihr kleiner griechischer Senat in Flammen aufgehen würde. Die Demokratie des Verbrechens entpuppte sich als Demokratie wie alle anderen: wunderbar in der Theorie, aber in der Realität dadurch besudelt, dass im innersten Herzen niemand wirklich daran glaubt, dass alle Menschen gleich sind. In der Verbrechenskooperative gab es permanenten Streit über die Gewinnverteilung und die Einteilung zu den niederen Tätigkeiten wie dem Ausfeilen von Seriennummern an tausend gestohlenen Kameras. Ihre Mitglieder lernten, dass wachstumsorientierte Demokratien Ungleichheiten produzieren, Habgier und Unzufriedenheit Vorschub leisten und, da sich keiner freiwillig zum Putzen der öffentlichen Toiletten melden wird, zur Spaltung der Gesellschaft und der Unterdrückung der schwächsten und unbeliebtesten Mitglieder führen. Darüber hinaus witterte Harry, dass den anderen die Anonymität nicht passte. Dank seiner feinen Nase fand Harry alles heraus.
»Du bist der Schlimmste von allen!«, beschuldigte er Terry.
»Aber ich hab doch gar nichts gesagt«, konterte Terry dann.
»Musst du auch gar nicht! Ich rieche das!«
Und vielleicht roch er es tatsächlich. Was hatte Harry einmal gesagt? Dass Paranoia auf lange Sicht telepathische Fähigkeiten verleiht? Vielleicht lag er da gar nicht so falsch. Vielleicht sah Harry tatsächlich, was kommen sollte, aber vielleicht sprach er nur das Offensichtliche aus: dass mein Bruder Pläne hatte und dass diese Pläne ihn und alle um ihn herum vernichten würden. Na ja, um ehrlich zu sein, für mich war das damals nicht offensichtlich. Ich sah es nicht kommen. Kann sein, dass Bob Dylan da falsch lag. Vielleicht muss man doch ein Weatherman sein, um zu wissen, woher der Wind weht.
ZWEITES PROJEKT
Normalerweise ist hier dein Leben, und wenn du den Fernseher anschaltest, sind da die Nachrichten: Egal, wie ernst die Lage ist, wie tief die Welt in der Scheiße steckt oder wie relevant die Nachricht für deine Existenz sein mag, normalerweise bleibt dein Leben ein von diesen Nachrichten völlig abgekoppeltes Gebilde. Auch wenn Krieg ist, muss man noch seine Unterhosen waschen, oder? Und wird man sich nicht selbst dann noch mit seinen Lieben streiten und anschließend entschuldigen, weil man es nicht so gemeint hat, wenn irgendwo ein Loch im Himmel ist und alles zu Asche verbrennt? Natürlich wird man. Man kann festhalten, dass es in der Regel kein Loch gibt, das groß genug wäre, diesen endlosen Prozess des Lebens zu stören, doch es gibt Ausnahmen, bittere Einzelfälle im Leben einiger weniger Pechvögel, bei denen sich die Neuigkeiten in den Medien mit den Neuigkeiten in ihren Schlafzimmern überschneiden. Ich kann dir sagen, schlimmer kann der Schreck nicht sein, wenn du aus der Zeitung etwas erfährst, mit dem du dich persönlich herumschlagen musst.
Es begann weit weg von zu Hause. Eines Morgens verkündeten die Schlagzeilen, dass einige Topspieler der australischen Kricketnationalmannschaft sich von Buchmachern hatten bestechen lassen, in internationalen Begegnungen unter Form zu spielen. Das war ein Riesenskandal, der wahrscheinlich höhere Wellen schlug, als er es verdiente. Doch wenn, wie vielfach behauptet, der Sport Australiens Nationalreligion ist, dann war das so, als hätten christliche Fundamentalisten herausgefunden, dass sich Gott, bevor er Bäume und Berge schuf, nicht die Hände gewaschen hatte. Es traf viele ins Mark. Es gab einen öffentlichen Aufschrei, viel Lamentieren und Säbelrasseln, und
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