Vaters böser Schatten
Zündschloss. „Er hat mit seinem Vater abgerechnet und bekommt jetzt die Quittung.“
„Ich versteh kein Wort. Wenn du mir …“, rief Michelle aufgebracht.
„Mic, Jonathan hat Ashley töten lassen. Ryan hat ihn gestern richtig übel verprügelt, als er es erfahren hat. Am Abend hat sich Jon mit Eileen gestritten, und er hat sie geschlagen. Da hat Ryan rot gesehen. Er hat ihn mit einem Messer angegriffen und verletzt. Dann kam er mit Eileen zu uns“, erklärte er hastig. „Eileen stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und Ryan hatte einen Schock, logisch.“ Ungehalten bretterte Leon durch die Straßen.
„Wo fährst du hin?“, fragte sie, und Panik schwang in ihrer Stimme mit.
„Zu Ryan, wohin sonst?“
„Scheiße, Leon! Fahr langsamer!“
Leons Finger schlossen sich krampfhaft um das Lenkrad, dann trat er plötzlich auf die Bremse.
Hinter ihnen quietschten Reifen; Autos schossen vorbei und deren Fahrer verfluchten Leon für seine Vollbremsung.
„Gott, hast du sie nicht alle?“, kreischte Michelle.
„Fahr du weiter!“ Leon stieg aus und setzte sich, nachdem Michelle auf den Fahrersitz gerutscht war, neben sie.
„Wohin? Zum Büro des Sheriffs?“
„Ja, ich schätze, er wird dort sein.“
Leons Hände zitterten. Alles, wovor er gestern Abend solche Angst gehabt hatte, war nun eingetreten. Wie mochte Ryan sich jetzt fühlen, wo er doch von einer Panikattacke geschüttelt wurde, wie er sie noch nie erlebt hatte?
Minuten später hielt Michelle vor der Polizeistation, die sie regelrecht stürmten.
„Ich möchte Sheriff Lucas sprechen!“, rief Leon dem Officer schon von Weitem zu.
„Der Sheriff hat keine Zeit. Wenn Sie ein Problem haben, können Sie es auch mir oder einem anderen Beamten mitteilen.“
„Jetzt passen Sie mal gut auf“, sagte Leon zornig und schüttelte Michelles Hand ab, die ihn zu besänftigen versuchte, „ist mir scheißegal, ob der Sheriff Zeit hat. Wenn der nicht gleich hier auftaucht, raste ich aus!“ Er wirbelte zu Michelle herum. „Hör auf damit!“
Michelle ließ seinen Arm los und wurde rot. „Leon, beruhige dich jetzt bitte. Du …“
„Sag mir nicht, ich soll mich beruhigen! Gestern Abend sagte der Sheriff noch, dass er Ryan nicht mitnehmen würde, und heute verhaftet er ihn vor seinen Mitschülern aus dem Unterricht heraus! Ryan ist unschuldig, und das weißt du auch!“, rief er aufgebracht.
„Sir, wenn Sie sich nicht augenblicklich beruhigen, dann …“
„Dann was?“, schrie Leon den Officer an. „Was ist denn dann? Wollen Sie mich auch verhaften? Bitte, nur zu! Dann bringen Sie mich aber zu Ryan, dann ist er in dieser Scheißzelle nicht allein, verflucht!“
„Leon, halt jetzt die Klappe! Du machst alles nur noch schlimmer!“, stieß Michelle wütend hervor.
Beide wurden immer lauter, keiften sich allmählich an und zogen so die Aufmerksamkeit der gesamten Polizeistation auf sich.
„Leon, bitte beruhigen Sie sich!“
Beide drehten sich um und sahen in das Gesicht des Sheriffs, der aus seinem Büro gekommen war.
„Wenn Sie weiter hier herumschreien, wird es Ryan nicht das Geringste helfen.“
„Kann ich zu ihm?“, fragte Leon und wirkte plötzlich gar nicht mehr wütend. Tränen liefen über seine Wangen, und er atmete schnell ein und aus.
„Ich … Leon, Sie wissen, dass ich Sie nicht zu ihm lassen kann.“ Es war dem Sheriff deutlich anzusehen, dass es ihm wirklich leid tat.
„Bitte! Er braucht mich, das weiß ich!“, flehte Leon nun. „Bitte …“
Der Sheriff rang mit sich und gab unter dem bettelnden Blick Leons schließlich nach. „Friedrichs, bringen Sie Mr. Blake bitte zu Ryan McCoy. Fünf Minuten, und keine Minute länger!“
„Okay. Danke!“
Leon folgte dem älteren Officer durch mehrere Gänge, dann stand er plötzlich und völlig unvorbereitet seinem Freund gegenüber.
Ryan saß in einer kleinen Zelle auf dem Bett, das Gesicht in den Händen verborgen und unverkennbar aufgelöst.
Leon kämpfte regelrecht um seine Fassung, als er dicht an die Gitter trat. „Ryan …“, sagte er leise.
Der hob den Kopf, starrte seinen Freund einen Moment desorientiert an und sprang dann auf. „Was tust du hier? Du solltest deinen Test schreiben!“ Er griff durch die Stäbe hindurch nach den Händen seines Freundes. Zitternd umschlossen sie sich - versuchten dem anderen Halt zu geben -, doch in diesen Mauern war das kaum möglich.
„Du weißt doch: es gibt Dinge, die wichtiger sind. Scheiße, ich glaub’s nicht
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