Vaters böser Schatten
schmutzigen Hautstellen, die überall da hervor blitzten, wo die Klamotten zerrissen waren.
„Warum bist du hier?“, fragte er.
Der Typ runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Ich schätze, ich bin eingeschlafen.“
Ryan konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen.
Der Typ starrte ihn mit kullerrunden Augen an, verzog das Gesicht zu einer grübelnden Grimasse und wirkte ein wenig, wie einer dieser alten Männer auf einer Scherzpostkarte. „Wie heißt du?“
„Horst!“
Er sagte es so inbrünstig, dass Ryan lachte. „Bist du sicher?“
„Nein. Aber alle nennen mich so. Ich glaube, ich heiße …“ Er schien zu überlegen. „Herbert … ja, so heiße ich.“
„Ich bin Ryan. Aber den Namen hast du wahrscheinlich eh in zwei Minuten vergessen!“
„Jaah … hast du etwas zu trinken?“, fragte Herbert.
„Nein, aber ich hätte auch nichts gegen ein Bier. Allerdings schätze ich, werden die uns keins geben. Herbert, warum lässt du dich so gehen? Bist du allein?“
„Nein!“, rief Herbert. „Ich habe noch Johnny und Jim!“
Ryan runzelte die Stirn. „Ah, ich verstehe. Johnny Walker und Jim Beam, deine besten Freunde“, grinste er.
Herbert lachte und entblößte so einen fast zahnlosen Mund. „Nein, sie heißen wirklich so. Johnny und Jim.“
Ryan schüttelte den Kopf. Der Typ war irgendwie witzig in seiner Art, doch wenn er es sich so recht überlegte, war es traurig, dass ein alter Mann so fertig mit sich und der Welt war. „Geht es dir gut?“, fragte Ryan leise.
„Jaah, naja, ich würde gern etwas trinken, aber die geben mir hier nie etwas!“
„Das Leben ist ganz schön beschissen, oder?“
„Nein, es ist nur beschissen, wenn du es beschissen machst, Ryan!“
„Du weißt meinen Namen noch“, fiel ihm amüsiert auf.
„Ja … ich kann mir manchmal etwas merken.“ Herbert kratzte sich am Kopf. „Warum bist du hier?“
„Nicht so wichtig.“
„Ah … naja, du bist jung. Du kommst hier schon wieder raus. Du hast doch Eltern, die sich um dich sorgen?“
Ryan lehnte an den Gitterstäben. „Ich habe eine Mutter, ja.“
„Und bestimmt eine hübsche Freundin, nicht wahr?“, grinste Herbert.
„Ja und einen Freund. Ich bin nicht allein.“ Als Ryan es so sagte, wurde ihm erst klar, was er an seinen Freunden hatte. Sie sorgten sich wirklich um ihn und er vermisste sie. Frustriert seufzte er und schob den Gedanken an Leon und Michelle beiseite, sonst würde er nur wieder weinen. „Hey Herbie, wo wohnst du?“
„Comonwearstreet, unter der Brücke. Ich weiß gar nicht, ob es Jim und Johnny gut geht.“
„Bestimmt. Sie warten auf dich.“
Herbert und Ryan hoben die Köpfe, als sie das Klappern von Metall hörten und ein Officer auftauchte.
„Na, Herbie? Alles klar soweit?“
„Jaah! Kann ich jetzt gehen?“
„Klar, warum nicht und halte dich von dem Supermarkt fern, okay?“
„Jaah, Officer!“ Herbert verbeugte sich leicht und zwinkerte Ryan zu.
„Pass auf dich auf, Herbie!“
„Du auf dich auch.“
Ryan beobachtete, wie Herbert dem Polizisten leicht schwankend folgte, dann setzte er sich auf sein Bett zurück. Wie lange er dort saß, wusste er nicht, doch eine vertraute Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
Z urück im Leben
„Ryan?“
Er hob den Kopf und sah in das lächelnde Gesicht des Sheriffs, der die Zelle aufschloss.
„Na komm schon.“
„Was?“
„Deine Kaution wurde bezahlt. Du bist frei … vorerst!“
Ryan erhob sich langsam, runzelte die Stirn und trat aus der Zelle heraus. „Von wem?“
„Warte es ab!“
Ryan folgte Lucas und erstarrte. „Onkel Tom?“
„Ryan, schön dich zu sehen!“
Obwohl er seinen Onkel so lange Zeit nicht gesehen hatte, verspürte er ein tiefes Gefühl von Zuneigung in sich aufkommen. „Ich versteh das nicht. Bist du jetzt mein Anwalt?“
„So kann man es sagen. Vorausgesetzt, du bist einverstanden.“
„Jaah! Himmel, ich nehm alles, wenn es mir hilft“, stieß Ryan hervor.
Tom lachte leise auf. „Gut, dann können wir gleich gehen.“ Er unterschrieb schwungvoll das Formular, welches ihm der Sheriff hingelegt hatte.
„Fein, gehen klingt gut. Allerdings hätte ich gern mein Handy zurück!“, sagte Ryan zu dem Officer, der bei ihnen stand. Keine Minute später hielt er das Mobiltelefon in der Hand und schob es in die Innentasche seiner Jacke.
„Dann mal los.“ Tom legte Ryan die Hand auf den Rücken und schob ihn sanft hinaus, was nicht nötig war, da es Ryan kaum noch erwarten konnte, die
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