Vaters böser Schatten
Sonne im Gesicht zu spüren. „Wo fahren wir jetzt hin?“, fragte er.
„Zu dir, denke ich. Oder?“
„Ja, egal, Hauptsache weg hier!“ Er stieg ins Auto und Tom lenkte es vom Parkplatz hinunter auf die Hauptstraße.
„Wie geht es dir?“
Ryan sah aus dem Fenster. „Ich weiß nicht. Onkel Tom, was passiert jetzt mit mir?“
„Nun, deine Mutter hat mir erzählt, dass du Gegenanzeige erstattet hast.“
„Ja.“
„Dein Vater muss einen Anwalt haben, also würde ich dem gern einen Deal vorschlagen.“
„Einen Deal? Wie soll der aussehen?“
„Ich möchte, dass Jon die Anzeige zurückzieht, wenn wir ihm sagen, dass du es dann auch tun würdest. Es gibt viele Zeugen, die gesehen haben, dass er dich geschlagen hat. Das sagt zumindest Eileen. Also muss er mit einer Bestrafung rechnen. Ich schätze, dass mein Bruder darauf nicht aus ist, also wird er sich auf den Deal einlassen. Ist das okay für dich?“
Ryan überlegte. Im Grunde war ihm alles recht, solange er seinem Vater nicht mehr gegenüber treten müsste. „Ja, ich denke schon.“
„Gut. Ich werde versuchen durchzusetzen, dass Jon den Hof nicht mehr betreten darf. Wenn ich mich richtig erinnere - und sich da nichts verändert hat -, läuft alles auf den Namen deiner Mutter.“
„Keine Ahnung!“
„Naja, darum kümmere ich mich schon.“ Tom machte eine kleine Pause. „Ryan, dir sollte allerdings klar sein, dass du um eine Verurteilung nicht drum herum kommst. Du hast eine Straftat begangen. Sicher im Affekt, doch es war eine Straftat. Aber ich möchte, dass du dir keine Sorgen machst. Du bist nie vorher strafauffällig geworden, und so läuft es dann eigentlich auf eine kurze Bewährungsstrafe hinaus.“
Für Ryan war dies nur ein schwacher Trost. Er war Zeit seines Lebens nun aktenkundig. Klasse Aussichten.
„Deine Cousine war ganz aufgeregt, als sie gehört hat, wo ich hinfliege.“
Ryan wandte sich seinem Onkel zu und lächelte. „Linda! Gott, wie lange habe ich sie nicht gesehen?“
„Beinahe vier Jahre. Du würdest staunen. Sie ist richtig groß geworden“, sagte Tom und musterte Ryan kurz, „so, wie du übrigens.“
„Ja, ich konnte es nicht aufhalten. Wie alt ist sie jetzt? War sie ein Jahr jünger oder zwei?“
„Sie wird nächsten Monat sechzehn.“ Tom holte aus dem Jackett eine Brieftasche und gab sie Ryan, der sie öffnete und das Foto eines jungen Mädchens anschaute. Seine Cousine sah süß aus: dunkelblonde Locken und leuchtend grüne Augen - nicht schlecht.
„Sie ist niedlich!“
„Ja, das ist sie. Sie hat gleich gefragt, wann sie dich wiedersehen wird. Ryan, wir haben in unserer Familie lange nicht über euch gesprochen. Deine Tante Sandra und Linda sind sehr froh, dass es euch gut geht. Naja, den Umständen entsprechend.“
„Ich würde sie gern wiedersehen. Ist verdammt lange her …“ Ryan driftete kurz in seine Vergangenheit ab, als Linda und er über die Weiden geritten sind und viel Spaß hatten. Das war vor dem Tod seines Großvaters. Ab da wurde alles anders.
„Das Tor ist zu“, sagte Tom plötzlich.
Ryan blinzelte kurz und runzelte die Stirn. „Oh … dann ist sie wohl noch bei Maggie!“
„Wer ist Maggie?“
„Die Mutter meines Freundes. Du musst zurück zur Hauptstraße und dann in die Wilsher einbiegen. Sie wohnen in der Landresroad.“
„Okay, die finde ich.“ Tom wendete und fuhr zurück.
Wenige Minuten später machte Ryan ihn auf das große cremefarbene Haus der Blakes aufmerksam. Er wurde plötzlich ganz aufgeregt. Allein der Anblick von Taylor, der an seinem Auto stand, war gigantisch schön.
„Ryan! Gott sei Dank!“
Er war noch nicht einmal ausgestiegen, als er auch schon vom Vater seines Freundes in den Arm gezogen wurde, dann löste er sich von ihm.
„Tut mir leid.“
„Ach was. Das war fast eine väterliche Umarmung. Meine erste!“, grinste Ryan. „Taylor, das ist mein Onkel Tom Bernett – Taylor Blake, Leons Vater.“
Die Männer schüttelten einander die Hände.
„So, dann rein mit dir!“
Kaum hatte sich die Tür geöffnet, war auch schon Eileen im Flur und schloss ihren Sohn in ihre Arme. Unendlich erleichtert weinte sie. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist!“, schluchzte sie.
Ryan hielt sie fest an sich gezogen und schloss die Augen. Als er den Kopf hob, stand Michelle vor ihm, die gleich den Platz von Eileen einnahm und Ryan umarmte, doch der Anblick, den Leon ihm bot, trieb ihm sofort wieder die Tränen in die Augen. Es war so deutlich zu
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