Vaters böser Schatten
Ich muss sehen, ob Mum mich weg lässt.“
Schweigend standen sie sich gegenüber, sahen den anderen nicht an und warteten darauf, dass einer den Mund aufmachen würde.
„Gut, also … ich melde mich …“, sagte Leon leise und wollte weitergehen, doch Ryan hielt ihn zurück.
„Tut mir leid. Der Kerl regt mich einfach nur unwahrscheinlich auf.“
„Ist okay, aber du solltest unterscheiden lernen. Bis später, Snoopy!“ Leon küsste ihn kurz und ging dann zu seinem Auto, wo er sich auf den Fahrersitz fallen ließ und sich einen Moment nicht bewegte. „Du blöder Kerl!“ Er stieg noch einmal aus, rannte auf seinen Freund zu, der nun bei den Jungs am Anbinder stand und küsste ihn heftig. „Ich liebe dich …“, flüsterte er ihm ins Ohr und ging dann zum Auto zurück.
Ryan stand etwas irritiert da, sah Leon hinterher und grinste. „Er ist einfach süß!“
Leon parkte wenige Minuten später vor dem Haus seiner Eltern und stieg aus. „Hey, Mum!“
Maggie hockte im Beet und zupfte Unkraut. „Hallo, Schatz. Wie ist Miami?“
„Definitiv einen Familienurlaub wert. Es ist toll am Strand und so.“
Maggie musterte ihren Sohn kurz. „Leon, ist alles okay?“
„Ja, ich bin nur ziemlich fertig. Die Autofahrt war anstrengend.“
„Das glaube ich, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber ich denke nicht, dass es die Autofahrt ist, die sich so beschäftigt!“
Leon zögerte, trat unruhig mit den Füßen auf dem gefegten Kiesweg herum und schwieg.
„Kaffee?“, fragte Maggie.
„Ja, gern.“ Beide betraten das Haus, wo sich Maggie erst einmal die Hände wusch und Leon Kaffee und Milch in zwei Tassen goss.
„So, Schatz, was ist los?“
Leon setzte sich auf die Terrasse. „Es geht um Ryan. Versteh mich nicht falsch. Das Wochenende war toll. Wir hatten richtig viel Spaß und so. Am Sonntag hat er mit seiner Mutter und seinen Verwandten im Garten gesessen, und sie haben ihn gefragt, wie es ihm geht. Er sagte, dass alles okay sei. Du glaubst es genauso wenig wie der Rest und Eileen hat ihn wohl auf eine Therapie angesprochen. Ryan ist ziemlich sauer deswegen gewesen. Er sagt, er bräuchte keine Therapie. Ich meine, mir war schon klar, dass er nicht gleich zustimmt, aber er denkt nicht einmal darüber nach.“ Frustriert schnaufte er.
„Leon, ich denke, uns ist beiden bewusst, dass Ryan sehr wohl darüber nachdenkt. Wahrscheinlich mehr, als ihm gut tut. Gib ihm Zeit. Sieh mal, als er das erste Mal bei uns war, haben wir alle festgestellt, wie verschlossen er ist. So schnell ändert sich ein Mensch nicht. Glaube nicht, ich hätte nicht mitbekommen, dass er sich damals davonschleichen wollte, und ich habe auch gehört, was du zu ihm gesagt hast. Ryan hat sehr viel Glück, dich zu haben, und das sage ich nicht, weil ich deine Mutter bin.“ Sie lächelte ihren Sohn an, der amüsiert den Kopf schüttelte. „Ryan ist ein wenig komplizierter, als der Rest der Welt. Sei einfach für ihn da, und irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo er es einsehen wird.“
Leon seufzte. „Dein Wort in Gottes Gehörgang!“
Maggie lachte leise. „Und? Bleibst du jetzt hier oder fährst du gleich wieder?“
Unschlüssig zuckte Leon mit den Schultern.
„Ähm … versteh mich nicht falsch, Schatz. Du kannst fahren, wenn du willst. Mir ging's nur darum zu wissen, wo man dich findet!“
Leon zögerte kurz. „Heute Morgen sagte er seiner Mutter, er sei nicht aggressiv und vor etwa einer halben Stunde dachte ich, er würde Joe Steiger gleich an Ort und Stelle umbringen. Ich hatte echt Angst, dass er dem oder sogar mir eine verpasst. Vielleicht sollte ich erstmal hier bleiben, damit er sich beruhigen kann.“
Maggie lachte und stand auf. „Leon, ich bezweifle, dass er sich beruhigt, wenn du hier sitzt. Fahr zu ihm. Er braucht dich doch! Und wenn ich es mir recht überlege, kannst du gleich da einziehen, dann bekomme ich endlich mein eigenes Zimmer zum Malen und Basteln.“
Mit ungläubigem Blick starrte Leon seine Mutter an und schüttelte den Kopf. „Ähm, warte …“ Er stand ebenfalls auf und musterte seine Mutter kritisch. „Du meinst also, ich soll bei Ryan einziehen?!“
„Nun, eine Überlegung ist es wert. Du bist doch eh nie zu Hause!“
„Du verwirrst mich, Mum. Ganz ehrlich!“ Er stieg die Treppe hinauf und betrat sein Zimmer. Seine Mutter hatte es irgendwann aufgegeben, in seinem Zimmer Ordnung schaffen zu wollen, und so stieg er über eine Tasche und ein paar Klamotten und setzte sich an seinen
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