Vaters böser Schatten
mitgegeben.“
„Oh, sehr schön!“
Sie bestellten Steak und Backkartoffeln, dann musterte Leon seinen Freund. „Also, worüber denkst du nach?“
Ryan zögerte, pulte mit der Gabel in der Kartoffel und sah auf. „Glaubst … also glaubst du auch, dass ich eine … eine Therapie brauche?“
Leon sah ihn weiterhin nur an, schwieg aber.
„Mum sagt, dass ich eine brauche.“
Leon legte sein Besteck beiseite und schob den Teller von sich. „Schatz, du weißt, dass ich immer für dich da bin. Egal, was passiert. Aber ich denke, dass ich an meine Grenzen gekommen bin. Ich kann dir nur zuhören, aber ich kann dir nicht helfen.“
Auch Ryan schob seinen Teller ein Stück beiseite. „Warum glaubt ihr alle, ich bräuchte eine Therapie?“ Er war weitaus genervter deswegen, als er im Moment zeigte.
„Nun, ich persönlich würde sagen, weil du Albträume hast.“
Ryan runzelte die Stirn. „Ich habe doch keine Albträume!“
„Nicht? Und warum wirfst du dich dann jede dritte Nacht durchs Bett? Warum redest du von deinem Vater, als wolltest du ihn gleich umbringen? Snoopy, dein Unterbewusstsein ist am Ende. Du selbst wirst es vielleicht gar nicht so mitkriegen, doch es ist so. Ich spüre es. Du hast in den letzten Jahren einfach zu viel durchgemacht, verstehst du? Das hält man auf Dauer nicht aus. Ich liebe dich und schon allein aus dem Grund will ich nicht, dass du irgendwann zusammenbrichst und ich daneben stehen muss, weil ich nichts tun kann. Es kann dir nicht schaden. Wenn ein geschulter Therapeut sagt, bei dir ist alles okay, dann müssen wir uns auch keine Sorgen mehr machen. Aber so ist es ja nicht. Nichts ist okay.“
Leon rutschte näher zu ihm heran und legte seine Stirn gegen Ryans. „Schau, Baby … ich will dir nur helfen. Das Wichtigste für mich, ist, dass du glücklich bist.“
„Aber ich bin doch glücklich …“, widersprach Ryan verzweifelt.
„Äußerlich ja. Das streitet niemand ab, aber tief in dir sieht es anders aus. Das spüre ich.“
Ryan liefen leise die Tränen über die Wangen. Hatte ihn sein Vater wirklich so weit gebracht, dass er jetzt eine Therapie brauchte? Scheiße …
Leon spürte, wie verzweifelt sein Freund plötzlich war. „Lass uns gehen, Schatz!“, flüsterte er ihm ins Ohr.
Schnell hatten sie bezahlt und betraten wenige Minuten später ihr Zimmer im Motel. Sie zogen sich aus, schlüpften unter die dünnen Decken und kuschelten sich fest aneinander.
„Du hast Angst, nicht wahr?“, fragte Leon leise.
„Nein … ja … keine Ahnung!“
„Snoopy, du musst vor mir nicht den Starken spielen.“
Dieser Satz löste bei Ryan einen regelrechten Weinkrampf aus. Minutenlang lag er in Leons Armen und zitterte haltlos, während ihm die Tränen in Strömen übers Gesicht flossen.
H ome sweet home
Die Rückfahrt verlief ruhig. Ryan döste die meiste Zeit vor sich hin, streichelte Leons Nacken und versuchte, diese mehr als schwere Nacht aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Er hatte lange geweint. Ihm war bewusst, dass Leon ihm nicht helfen konnte, sofern er denn Hilfe bräuchte, was ja nicht der Fall war. Die letzte Zeit war eben besonders hart gewesen, klar, dass er mit seinen Kräften ziemlich am Ende war. Das war aber noch lange kein Grund, dass er sich einem Seelenklempner anvertrauen musste. Soweit kam es noch, dass er einem fremden Menschen seine Gedanken auf den Tisch knallte.
Leon sah stur auf die Straße, schwor sich, nie wieder so lange zu fahren und wusste, dass er heute, wenn seine Mutter ihr Auto wieder hatte, auf sein Fahrrad umsteigen würde. Zudem beschäftigte ihn auch der Zusammenbruch seines Freundes. Verdammt, warum war der nur so dermaßen stur? Der gestrige Heulkrampf sollte ihm doch schon Antwort genug sein, aber nein. Er brauchte keine Hilfe. Es hätte ihn auch gewundert, wenn Ryan McCoy fröhlich zugestimmt hätte. Nun, die Zeit wird es zeigen. Mehr, als ihm zuhören und für ihn da sein, konnte er nicht.
Ryan warf einen Blick nach links und lächelte, als er sah, wie verträumt sein Freund wirkte. „Du achtest noch auf die Straße, Baby?“
„Sicher. Sonst würden wir schon im Straßengraben liegen. Wie geht es dir?“, fragte Leon.
Den Blick wieder aus dem Seitenfenster gerichtet, zuckte Ryan die Schultern. „Ganz gut. Nur ein wenig Kopfschmerzen. Hab wohl mit dem Heulen etwas übertrieben.“
Ein kleines Lächeln umspielte Leons Mundwinkel. „Nein, hast du nicht. Musste mal sein.“
„Ja, vermutlich. Aber nicht so. Ich habe
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