Vaters böser Schatten
ziemlich die Kontrolle verloren.“
Leon entdeckte das Schild einer Raststätte. „Was hältst du von einem Kaffee?“
„Klar, warum nicht.“ Ryan gähnte und streckte sich.
Wenige Minuten später parkte Leon neben einem Brummifahrer und stellte sich kurz vor, wie es wäre, sein Leben auf der Autobahn zu verbringen. Ein Cowboy des Highways zu sein. Freiheit. War es Freiheit, den ganzen Tag mit dem Arsch hinter dem Lenkrad zu sitzen? Gott bewahre – nein!
„Kommst du?“ Ryan hielt ihm die Hand entgegen und lächelte.
„Ähm … ja. Entschuldige.“
Sie holten sich Kaffee zum Mitnehmen und setzten sich neben ihrem Auto auf die Wiese.
„Versuch nicht darüber nachzudenken, was gestern passiert ist. Du bist einfach noch nicht bereit, okay?“
„Bereit wofür? Einem Seelenklempner zu erzählen, wie beschissen meine Jugend war? Das weiß ich allein. Dafür brauch ich den nicht. Leon, lassen wir das Thema einfach, ja? Ich brauch den Scheiß nicht. Lass uns weiterfahren. Ich will nach Hause.“
Leon sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Wie kann ein Mensch nur so dickköpfig sein? Das muss doch wehtun!“
Ryan reagierte nicht darauf, sondern stieg ein und schnallte sich an.
Die restlichen zwei Stunden Autofahrt schwiegen sie. Leon drehte das Radio etwas lauter, und Ryan schaute stumm aus dem Fenster.
Als sie auf dem McCoy-Hof ankamen, erreichte Ryans Stimmung den absoluten Tiefpunkt. „Was will der denn hier?“, fragte er leise und mit unverkennbarem Zorn in der Stimme.
Der weiße Laster von Joseph Steiger parkte vor den Ställen und wild mit den Händen gestikulierend redete er auf die drei Arbeiter ein, die etwas unschlüssig da standen und augenscheinlich nicht wussten, was sie machen sollten.
Julius wusste, dass Ryan eine große Abneigung gegen Steiger hegte, und er war sich nicht ganz sicher, ob der die Verträge, die mit Jon McCoy geschlossen worden waren, weiterführen würde.
„Ryan, gut, dass du da bist!“, rief Toby.
„Steiger, sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen!“ Ryan lief auf ihn zu und blieb mit geballten Fäusten vor ihm stehen.
„Ryan, wie geht es dir?“, fragte Steiger scheinheilig.
„Das geht Sie einen feuchten Dreck an. Verschwinden Sie!“
„Ryan, ich habe …“
„Für Sie immer noch Mr. McCoy!“
Steiger sah ihn verwirrt an, nickte aber. „Gut, Mr. McCoy ! Ich habe Verträge mit diesem Hof. Die können Sie nicht ignorieren.“
„Und ob ich das kann. Sie hatten Verträge mit meinem Vater. Der hat mit der Firma allerdings nichts mehr zu tun. Damit sind die Verträge hinfällig. Das können Sie gern schriftlich haben!“
„Ryan, Sie… Mr. McCoy, sein Sie doch nicht dumm. Von wem wollen Sie denn die Tiere abholen lassen?“
Ryan spürte, wie der Zorn in ihm hoch kroch, und er war kurz davor, Steiger niederzuschlagen, als sich Leon dazwischen schob.
„Ryan, beruhige dich. Vergiss den Typ!“
„Sie sind ein dreckiges Arschloch, Steiger! Glauben Sie wirklich, Sie sind der einzige, mit dem ich Geschäfte machen kann? Verschwinden Sie!“, schrie Ryan.
„Verlassen Sie jetzt den Hof, ansonsten rufen wir die Polizei!“, mischte sich Julius ein.
Steiger betrachtete Ryan abfällig, der versuchte, Leon von sich zu schieben und stieg in seinen Truck. „Wir sehen uns wieder, McCoy!“
Leon beobachtete, wie Steiger vom Hof fuhr. „Beruhige dich jetzt bitte!“, sagte er leise zu seinem Freund.
„Ich bin ruhig!“, fauchte Ryan und riss sich von Leon los. Bebend vor Zorn sprang er über den Zaun und lief über die Weide auf June zu, die ihm langsam entgegen kam.
„Oh Mann. Wir wussten nicht, was wir machen sollten“, seufzte Lance.
„Ist nicht eure Schuld. Er ist schon den ganzen Tag so schlecht drauf.“ Leon sah Ryan hinterher und ging dann zum Auto zurück, um die Tasche seines Freundes heraus zu holen. Dann betrat er die Koppel und lief auf ihn zu. „Schatz?“
„Was ist?“
„Hey, nun komm mal runter! Ich habe dir nichts getan! Und da heißt es, du seiest nicht aggressiv.“
„Ich bin nicht aggressiv. Was willst du?“ Ryan klang wütender, als er war und auf Leon war er es gar nicht. Nur fiel es ihm im Moment unheimlich schwer, vernünftig zu reden.
„Ich fahre jetzt nach Hause und bringe Mum ihr Auto.“
„Okay.“
Ryan wandte sich zu June um, und als er sonst nichts weiter sagte, drehte sich Leon um und ließ ihn allein.
„Warte!“
Er blieb stehen und musterte Ryan abwartend.
„Kommst du wieder?“
„Weiß ich noch nicht.
Weitere Kostenlose Bücher