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Vaters böser Schatten

Vaters böser Schatten

Titel: Vaters böser Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Dankert
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anfangen. Dass ich meinen Abschluss machen wollte, hat er nicht akzeptiert. Als ich … vierzehn war, hat er mich eine Zeitlang von der Schule abgeholt, damit ich so schnell wie möglich an die Arbeit käme. Ich hatte es so satt, zu wissen, dass er da sein würde, wenn ich aus dem Schulgebäude kam. Also habe ich mich rausgeschlichen, bin mit dem Fahrrad nach Hause gefahren und habe bereits gearbeitet, wenn er zurückkam. Er hat getobt, dass er umsonst gefahren sein und ich habe geantwortet, dass er das ja nicht tun müsse. Ich wüsste, wo ich wohne und ich wüsste auch, dass ich nach Hause kommen sollte. Nach zwei Wochen hat er es aufgegeben und ich hatte wieder etwas mehr Ruhe auf dem Nachhauseweg. Verdammt, ich konnte mich ihm nicht entziehen, so gern ich es gewollt hätte, aber er ließ mir keine Chance. Zu meinem sechzehnten Geburtstag ist es das erste Mal wirklich eskaliert. Ich wollte abends weg, wollte mit Michelle feiern, doch er hat mich nicht gelassen. Er hat in meinem Zimmer gewütet, hat Fotos zerrissen, hat CDs zerstört. Er war der Meinung, dass ich keine Freunde bräuchte, dass meine Arbeit mich genug ausfüllen müsste und wenn dem nicht so wäre, könnte er es ändern.“
    Einen Moment schwieg Ryan, sein Blick huschte hin und her, während er sich erinnerte. „Ich konnte nicht mehr zusehen, wie er mich systematisch fertig machte. Ich habe … mich das erste Mal gewehrt. Ich habe ihn weggestoßen, habe zugeschlagen.“ Mit gerunzelter Stirn saß er da. „Zu spüren, was ich für eine Kraft hatte, zu spüren, dass ich mich verteidigen konnte, hat mich regelrecht beflügelt. Ich starrte auf meine Hände, sah in sein Gesicht, sah das Blut und wusste, dass sich jetzt alles ändern würde.“ Trocken lachte Ryan auf. „Es hat sich nichts geändert. Er hat mich noch mehr unterdrückt, als ohnehin schon, nur um zu demonstrieren, dass er der Stärkere war. Aber ich wollte das nicht mehr hinnehmen. Ich wollte leben. Michelle hatte mich angestachelt, mich immer mal wieder vom Hof zu schleichen, um wenigstens mal für zwei Stunden rauszukommen. An Tagen, an denen er auf Tierauktionen in Mainsfield war und auswärts geschlafen hat, bin ich bei Michelle geblieben. Wir haben Filme geschaut, waren in dem einzigen Club bei uns. Susan hat mir gezeigt, wie man lebt. Es war toll. Ich bin regelmäßig zusammengebrochen, wenn er wieder da war. Wenn die ganze Tyrannei wieder von vorn losging. Letzten Herbst hat er versucht, June zu verkaufen. Ich bin … ausgerastet. Ich habe mein Messer gezogen und ihn bedroht, ihn angebrüllt. Es ist Leon zu verdanken, dass er noch lebt, dass ich mich zurückgehalten habe.“
    Dr. Ramos beobachtete, ließ Ryan reden. Himmel, in diesem Jungen schlummerte so tiefer Hass, keine Chance, dass er da jemals allein hinausfinden würde.
    „Er hat es oft bis auf die Spitze getrieben. Immer wieder musste er mir demonstrieren, dass er am längeren Hebel saß. Und ich habe alles hingenommen, aus Angst, dass er Mum wehtun würde. Aus Angst, dass er ihr etwas antun könnte. Für einen kurzen Moment habe ich Großvater verabscheut, dass er uns mit diesem Mann allein gelassen hat. Ich habe an seinem Grab gestanden und immer wieder gefragt, warum er mich mit ihm allein gelassen hat. Was ich getan hatte, dass er mich mit ihm allein gelassen hat. Ich konnte es nicht begreifen. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, dass es der Lauf der Natur war. Und irgendwann habe ich mich an den Gedanken geklammert, dass sich die Natur auch Dad irgendwann holen würde.“ Missmutig schüttelte Ryan den Kopf. „Schwachsinn. Das war alles Schwachsinn. Ich werde ihn niemals los sein, nicht wahr? Er wird immer in mir sein, mein Leben vergiften.“
    „Nein. Ryan, denken Sie das nicht. Sie haben angefangen, genau da entgegenzuwirken. Sie haben den Kampf endgültig gegen ihn aufgenommen und irgendwann werden Sie über ihn hinweg sein.“
    „Vielleicht … irgendwann, wenn ich vor seinem Grab stehe“, murmelte Ryan.
    „Nein, soweit muss es nicht kommen. Vertrauen Sie auf Ihre Stärke.“
    „Welche Stärke? Nach unserem letzten Gespräch bin ich zusammengebrochen. Was für eine Stärke ist in mir? Ich bin jetzt das fünfte Mal bei Ihnen und ich habe das Gefühl, kein Stück weiter zu sein. Ich war bereits wieder zweimal auf den Bahngleisen. Obwohl ich Leon versprochen hatte, es nicht mehr zu tun. Aber anders bekomme ich meinen Kopf nicht frei. Es ist … eine verfluchte Sucht. Ich sehe es in Leons Augen, wie sehr er

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