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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Salvador für mich gemalt hatte. Ich stellte mir seine klugen Augen vor, als er sie mir erklärte. Meine Sehnsucht nach ihm wuchs. Wo blieb er? Wie ritten immer weiter westwärts und ich wusste, dass unsere einzige Chance das Gebirge war, das im Osten lag. Nur dort konnten wir uns vor den Männern verbergen. Salvador hatte mir erzählt, wie er als Junge viele Tage in diesem Gebirge zugebracht hatte. Er kannte jeden Stein. Dass er das allerdings scherzend gemeint hatte, wurde mir klar, als ich das Gebirgsmassiv vor uns sah. Morgen würden wir Tolosa erreichen.
    Wir erreichten Tolosa und blieben auf der alten Handelsroute nach Vitoria. Die Männer hatten es nicht eilig. Wir ritten jeden Tag etwa acht Lieue de poste, was weniger als einen Tagesritt bedeutete. Nach weiteren vier Tagen und Nächten erreichten wir Burgos. Es wurde wärmer und die Umgebung war in das sanfte Grün des Frühlings getaucht. Lisette blühte auf. Sie war so sehr von der Landschaft abgelenkt, dass es schien, als hätte sie die nahende Hochzeit völlig aus ihren Gedanken gestrichen.
    Die Menschen, die wir in den Herbergen kennenlernten, waren sehr freundlich. Meine Laune sank jeden Tag. Ich wartete seit zwölf Nächten und hatte jede Hoffnung aufgegeben. Zuerst befürchtete ich, Salvadors Vater hätte seine Erlaubnis zurückgezogen. Dann glaubte ich, ihn zerschlagen zwischen Felsbrocken liegen zu sehen, abgestürzt. Nie zweifelte ich an seinen Worten, an seiner Liebe. Dann fing ich wieder an zu hoffen. Ich wurde ungeduldig mit Lisette, die wiederum auf meine harschen Worte in Tränen ausbrach. Es war das erste Mal, dass ich Louis anschnauzte. Er hätte es schon tausend Mal vorher verdient, aber ich hatte ihn immer in Schutz genommen. Hatte ihm verziehen. Er war das Geschöpf, das Opfer der Erziehung des Grafen.
    Als Louis des Morgens angeritten kam, um Lisette mit seinen Spottworten erneut zu quälen, wie er ihr ausmalte, wie es sein würde, mit Almadar verheiratet zu sein, da platzte mir der Kragen und ich gab ihm eine Ohrfeige und schimpfte ihn aus.
    »Was fällt dir ein, so mit Lisette zu reden? Wie oft hat sie dich getröstet, wenn du Angst hattest? Sie hat dir deine Rotznase geputzt und dir Süßes zugesteckt. Jetzt, mit deinen gerade mal neun Jahren, behandelst du sie so? Denk an meine Worte, das Böse, das man in seinem Leben austeilt, bekommt man zurück. Verschwinde und lass uns in Ruhe.«
    Louis ritt mit glühenden Wangen ab. Seine linke Wange leuchtete besonders schön. Ich bereute meinen Ausbruch keine Sekunde. Höchstens, dass er so spät erfolgt war. Mir war klar, dass mein Benehmen ein Nachspiel haben würde. Aber der Graf konnte mich nicht mehr bestrafen, als es das Leben schon tat.
    Die Strafe kam. Ungerecht, wie der Graf war, bestrafte er Lisette gleich mit. Als ich für sie sprach, schlug er mich mit der Reitgerte. Lisette weinte und schrie. Aber nicht, weil sie die Nacht im Stall verbringen sollte, sondern, weil mich die Gerte im Gesicht getroffen hatte. Das Blut floss mir von der aufgeplatzten Augenbraue über meine linke Gesichtshälfte. Zur Strafe bekamen wir nichts zu essen und saßen auf vergammeltem Stroh unter einem reparaturbedürftigen Dach. Vor dem torlosen Verschlag war eine Decke angebracht, die im Winter als Windfang diente. Jetzt sperrt sie die Blicke der Männer aus.
    Lisette wusch mein Gesicht, so gut sie konnte. Als sie an die Augenbraue kam, zuckte ich zusammen. Mir traten die Tränen in die Augen.
    »Warum behandelt dich Vater so, Lucienne? Bitte hör auf zu weinen!« Sie tupfte noch ein wenig an mir herum und strich mir übers Haar. Ihr Trost brachte mich allerdings noch mehr zum Weinen. Ich weinte um sie, um mich, um Salvador und auch um Louis. Ja, sogar um ihn. Er war ein dummer Bengel. Er konnte nichts dafür. Irgendwann war ich wohl eingeschlafen.
    Ich wurde wach, weil jemand leise meinen Namen rief. Als ich mich aufsetzte, fühlte ich eine Hand auf meinem Mund. Ich hegte keinen Zweifel, dass es Salvadors war.
    »Weck Lisette und dann macht schnell.«
    Lisette hatte sich aufgesetzt und reagierte, als wäre Salvadors Anwesenheit selbstverständlich. Sie zog ihren Mantel fest um sich, packte ihr Bündel und folgte mir.
     
    *
     
    Pater Comitti seufzte. »Gott sei Dank. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass dieser Salvador nicht mehr erscheint.«
    Arconoskij zeigte kein Mitgefühl. Das begriff Comitti mit einem Blick. Er wurde aufgebracht. Er wollte nicht wie ein sentimentales Weib wirken, das bangt, ob

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