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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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die Liebenden zueinanderfinden oder nicht. Comitti rief sich zur Ordnung. Er war sentimental. Wahrscheinlich trieben seine Mitbrüder Jux mit ihm und er las ihre Fantastereien und bangte um das Schicksal dieser Mädchen. Die es wahrscheinlich überhaupt nicht gegeben hatte. Aber aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass es sich genau so zugetragen haben mochte.
    »Möchten Sie noch einen Schluck Wein, Pater?« Arconoskij beugte vor und schenkte nach, ohne die Antwort abzuwarten.
    Comitti starrte auf Arconoskijs Hand. Aus irgendeinem Grund war ihm diese schmale, blasse Hand auf einmal unangenehm. Als wäre es die Hand eines Mörders. Sicher hat er in seinem Beruf schon jemanden getötet , schoss es ihm durch den Kopf.
    Als hätte sein Gegenüber seine Gedanken erraten, zog Arconoskij seine Hand zurück und lehnte sich im Sessel an. »Haben Sie eine Vorstellung wie Salvador aussah? Abgesehen von seinen dunklen Haaren und Augen?« Arconoskij seufzte.
    Comitti schüttelte den Kopf. »Von sich selbst schreibt sie allerdings auch nichts.«
    »Ja, schade. Aber lesen Sie weiter, Pater, die Nacht ist relativ weit fortgeschritten. Sie sagen mir doch, wenn es Sie ermüdet? Wir können jederzeit abbrechen, wenn Sie es wünschen.«
    »Nein, nein«, wehrte der Pater ab. »Der Wein scheint meine Lebensgeister zu wecken. Einen ganz köstlichen Tropfen haben Sie mitgebracht.« Gleichzeitig überlegte der Alte, ob er gesehen hatte, dass sich Arconoskij nachschenkte. Er wollte ihm schließlich nicht den ganzen Wein wegtrinken.
    Arconoskij prostete ihm zu. »Auf die belebende Wirkung.«
    »Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben …«, murmelte der Alte, frei nach Wilhelm Busch, den er wegen seiner Menschenkenntnis sehr verehrte. Dann wandte er sich dem Manuskript zu.
     
    *
     
    Salvador hatte hinter der nächsten Wegbiegung drei Pferde angebunden. So schnell wir konnten, liefen wir hinter ihm her. Unsere langen Kleider raschelten in der Nacht, die so dunkel war, dass man kaum etwas erkennen konnte. Ein paar Mal stolperte ich. Lisette ebenfalls, die knapp vor mir lief. Ich hörte es an ihrem leisen erschrockenen Keuchen. Salvador hatte den Pferden die Hufe mit Stoff umwickelt, damit ihr Hufschlag uns nicht verriet. Er half uns mit schnellem und sicherem Griff in die Sättel und schon folgten wir der Straße, die nach Valladolid führte. Ich verstand überhaupt nichts. Hatte er nicht gesagt, er wolle uns in die Berge entführen? Die Berge lagen, wie ich wusste, seit zwei Wochen in unserem Rücken. Nun ritten wir auf einer gut einsehbaren Straße wie eine normale Reisegruppe. Meine Gedanken überschlugen sich. Meine Gefühle ebenso. Einerseits jubilierte alles in mir: Dass Salvador gekommen war, dass wir dem Grafen entwischt waren, dass Lisette nun nicht heiraten musste. Auf der anderen Seite ärgerte ich mich über Salvador: Dass er jetzt erst gekommen war, dass er mich so lange hatte bangen lassen. Viel Zeit blieb für meine wechselnden Gefühle nicht, da Salvador sein Pferd parierte und links auf einen kleinen Pfad einbog. Mein Pferd schnaubte, als es von dem breiten, relativ hellen Weg in diese Dunkelheit sollte. Salvador blieb kurz zurück und verwischte unsere Spuren.
    Schweigend ritten wir auf einem sehr schmalen Pfad durchs Dickicht. Nach einer halben Ewigkeit wurde der Pfad wieder breiter und wir waren im Wald. Ich ordnete mein Kleid, das durch die eng stehenden Bäume und den rasanten Ritt in Unordnung geraten war. Vor uns wurde es langsam hell, daran erkannte ich, dass wir Richtung Osten ritten. Die Pferde, die nun mehr erkannten, stolperten weniger über die Wurzeln und so war es möglich, das Tempo zu verschärfen. Es war bisher kein Wort zwischen uns gefallen. Ich blickte zu Lisette, die ich nur als Silhouette auf ihrem Pferd wahrnahm. Sie klammerte sich an den Sattel und hielt sich tapfer. Ich selbst musste sehr aufpassen. Wegen tief hängender Äste musste ich den Kopf einziehen. Die Bäume standen sehr eng, ich musste meine Knie aus dem Weg bringen. Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit und es hätte mich aus dem Sattel werfen können. Es war früher Morgen und wir waren müde, aber niemand klagte. Allen war klar, wie wichtig ein möglichst großer Abstand zwischen uns und dem Grafen war. Denn dass er uns folgen würde, war sicher. Wenn er uns fände … ich wagte nicht, es auszumalen. Wir wandten uns erneut nach links, Richtung Norden. Jetzt kamen wir in unwegsameres Gelände, in Bergausläufer.

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